: US-Umweltbehörde kaltgestellt
Der Präsident hat in den USA direkten Zugriff auf die Umweltbehörde EPA – und George Bush nutzt das auch. Da können die Umweltfachleute lange einen Lebensstil mit etwas weniger Energieverbrauch propagieren. Vorbild Europa
WASHINGTON taz ■ Von Europa lernen heißt siegen lernen. Das ist das Motto von Dale Medearis, der von der US-Regierung dafür bezahlt wird, die Amerikaner vom European Way of Life zu überzeugen – zumindest beim Thema Umweltschutz. Medearis arbeitet für die US-Umweltbehörde (EPA) in der Abteilung für Internationale Angelegenheiten. Seine Schwerpunkte sind die umweltverträgliche Entwicklung alter Industriegebiete und verödeter Innenstadtviertel, das wichtigste Partnerland ist Deutschland.
Mit Hilfe deutscher Stadtplaner und Landschaftsarchitekten versucht er momentan in Chicago, Buffalo und New York alte Fabrikviertel wieder zu beleben und nach ökologischen Kriterien zu entwickeln. „Revitalisierung und Flächen-Recycling sind keine Konzepte, die in den Köpfen der Amerikaner wirklich existieren“, sagt Medearis. In diesem Bereich kann Europa den USA Impulse geben. „Smart Growth“ wird das Konzept hier übersetzt: behutsames Wachstum, die Verbindung von alter und neuer Bausubstanz, kurze Wege, öffentlicher Nahverkehr und viel Grün.
Amerika müsse lernen, dass diese Form der Lebensqualität auch wirtschaftliche Standortvorteile bringt und die ökonomische Entwicklung von Städten stimuliert. Medearis schwärmt vom Wandel im Ruhrgebiet, vor allem der Internationalen Bauausstellung Emscher Park, von der Fahrradstadt Münster oder von Parkprojekten in Frankfurt am Main. Er arbeitet eng mit Solarexperten aus Freiburg zusammen und will die Idee der Dachbegrünung in die USA importieren.
Doch nun wird bei seinen Projekten der Rotstift angesetzt und der internationale Erfahrungsaustausch als irrelevant angesehen. Anders als das deutsche Umweltbundesamt ist die EPA – eine Mammutbehörde mit 18.000 Mitarbeitern, die vor allem die Einhaltung von Umweltgesetzen überwacht und Umweltgutachten erstellt – viel stärker abhängig von der Regierung und einfacher politisch zu beeinflussen. Die Führungskräfte werden allesamt vom Präsidenten ernannt. Als George W. Bush ins Weiße Haus einzog, bekam auch Medearis einen neue Chefin vor die Nase, die kein ernsthaftes Interesse an seiner Arbeit hat.
Medearis ist nur ein Beispiel, wie der EPA unter Bush das Wasser abgegraben wird. EPA-Chefin Christie Whitman, die nach dem Machtwechsel von Bush nominiert wurde und sich anfangs vor allem im Klimaschutz und bei der Luftreinhaltung sehr ambitioniert zeigte, ist mittlerweile kaltgestellt. Auch Umweltgesetze, die noch von Bill Clinton auf den Weg gebracht wurden, werden nun revidiert oder ganz rückgängig gemacht. Whitman versuche momentan in den Öffentlichkeit gegen den Eindruck zu kämpfen, dass die Bush-Regierung ihre Seele völlig der Industrie verkauft habe.
Bush sei ein Mensch, der die komplexen Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Wirtschaft und Entwicklung einfach nicht verstehe, kritisiert Medearis. Sein Desinteresse am Umwelt- und Gesundheitsschutz sei besonders unverständlich, da die USA im europäischen Vergleich bei allen wichtigen Schadstoffbelastungen in Luft, Boden oder Wasser schlechter abschneiden. Oft würden nur 50 Prozent der deutschen Qualitätsstandards erreicht. Amerika sei der Beweis, dass die freien Marktkräfte allein zu keiner Verbesserung führten. Auch in den USA müsse der Staat regulierend eingreifen. Wenn es um strengere Grenzwerte geht, ist auf die Selbstverpflichtung der Firmen kein Verlass, wie jüngst die US-Autoindustrie wieder nachhaltig demonstrierte, als sie höhere Standards für den Benzinverbrauch blockierte.
Es zeigt sich bereits jetzt, dass die Amtszeit von Bush eine verlorene Zeit für den Umweltschutz in den USA sein wird. Dass seine Regierung auf Nachhilfe aus Europa keinen Wert legt, wurde während der Debatte im Kongress über umweltfreundliche Autos anschaulich vorgeführt. Vor einem Foto des Kleinwagens Smart stehend, verhöhnte ein Parteifreund dieses Modell als Witz. Solche europäische Spielerei hätte keinen Platz im American Way of Life. Sein Kommentar zur Dachbegrünung ist nicht überliefert.
MICHAEL STRECK
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