: Endlich zeigt auch der Euro Stärke
Kurs der Gemeinschaftswährung auf höchstem Stand seit acht Monaten. Grund: Zweifel an der Erholung der US-Konjunktur. Das bremst die Inflation und damit die Gefahr steigender Zinsen, könnte aber den Export dämpfen
BERLIN taz ■ Der Kurs des Euro ist gestern auf seinen höchsten Stand seit acht Monaten geklettert. Ein Euro kostete gestern Nachmittag 92,13 US-Cents, ein Dollar nur noch 1,08 Euro. Finanzexperten begründeten dies mit aufkommenden Zweifeln an der Erholung der amerikanischen Wirtschaft. „Es gibt halt Anzeichen dafür, dass in den USA die Bäume auch nicht in den Himmel wachsen“, sagte Gernot Nerb, Leiter der Abteilung für Konjunkturprognosen des Münchner ifo-Instituts, gestern der taz. Der Aufschwung des Euros rückt den verzerrten Kurs zwischen den beiden großen Währungen ein Stück weit zurecht. Bisher ist die Gemeinschaftswährung unterbewertet. „Der Kurs spiegelt nicht das Kaufkraft-Verhältnis in den beiden Regionen wieder“, so Nerb. Dass die Nachfrage nach Dollar dennoch so hoch ist, liege vor allem daran, dass die USA nach wie vor als sicherer Hafen für die Geldanlage gelten. Nach wie vor sei der Dollar keine schwache Währung, „in Asien und Lateinamerika steigt der Dollarkurs immer noch“. Es handele sich nicht um eine Schwäche des Dollar, sondern um eine „Eurostärke“.
Die Börsenanalysten, die für alles eine Erklärung parat haben, nannten gestern auch das hohe Defizit der US-Leistungsbilanz als Grund, warum Kapitalanleger ihr Geld derzeit auch in Euro stecken. Die USA leben seit Jahren auf Pump, sie kaufen im Ausland mehr Waren und Dienstleistungen, als sie selbst verkaufen. Diese Lücke haben bis jetzt die Kapitalzuflüsse gedeckt, die ins Land strömten. Sollte der Dollar dauerhaft an Attraktivität verlieren, wird dies zum Problem.
Für die Eurozone ist die Euroerholung zweischneidig: Einerseits verbilligen sich Importe aus den USA und allen anderen Ländern, deren Währungen an den Dollar gekoppelt sind. Das bremst die Inflation, die in den letzten Monaten vor allem von den teuren, in Dollar bezahlten Erdölimporten getrieben wurde. Geringe Preissteigerungen machen es unwahrscheinlich, dass die Europäische Zentralbank in nächster Zeit die Zinsen erhöht. Das würde helfen, die Konjunktur in Europa weiter zu beleben. EZB-Chef Wim Duisenberg sagte gestern, „wir glauben, dass die Inflation im Laufe des Jahres zurückgehen wird“. Damit dürfte er die Sorgen der hochsensiblen Geldanleger zerstreut haben, bereits auf der nächsten Sitzung des EZB-Rats am 6. Juni würden die Zinsen erhöht.
Andererseits werden die Exporte aus Europa teurer, wenn der Eurokurs steigt. Importeure in den USA, Lateinamerika und Asien werden daher Waren lieber aus anderen Dollarländern einführen als aus Europa. Das wirkt womöglich wie ein Dämpfer auf die Produktion in der Eurozone – und schwächt die Konjuktur.
Und wie immer, wenn der Eurokurs steigt, wurden auch gestern Prognosen über eine baldige Parität zum Dollar abgegeben. Ein Analyst der Deutschen Bank in New York glaubt, dies könne in sechs bis zwölf Monaten der Fall sein. Konjunkturforscher Nerb hingegen meint: „Das ist Kaffeesatzleserei.“ KATHARINA KOUFEN
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