: Behörden irren nicht
Eine kleine Abhandlung über die Schwierigkeit, Behörden von Dingen zu überzeugen, die gar nicht passiert sind, aber weder aus den Akten noch aus den Köpfen von Beamten zu kriegen sind.
von PEGGY WOLF
Am 29. März 2002 überwies ich 79,41 Euro an die Landeshauptkasse Hamburg, Gänsemarkt 36 – für ein Abschleppverfahren, dass vor zwei Jahren passiert sein soll. Der Haken an der Sache: Mein Auto wurde gar nicht abgeschleppt. Ich hatte nicht einmal ein Knöllchen.
Mitte Oktober 2000
Morgens 7 Uhr: Ein Abschleppwagen quält sich durch die enge Christian-Förster-Straße in Eimsbüttel. Ein Auto wird auf die Ladefläche gehievt. Ich denke noch: „Das arme Schwein“, steige in meinen Wagen und fahre zur Arbeit. 13. Oktober 2000. Ein Tag wie jeder andere.
Eben nicht, denn drei Wochen später erfahre ich per schriftlichem „Kostenfestsetzungsbescheid“ der Landespolizeiverwaltung Hamburg, Hindenburgstraße 47 – Rechtsabteilung, dass sich mein Wagen an einer „den Verkehr gefährdenden oder den Verkehr behindernden Stelle befunden hat und abgeschleppt wurde“. Also: Falsch geparkt, 30 DM Strafe, Abschleppkosten 160 DM.
Ich erinnere mich an den Morgen: Mein Auto stand dort, wo ich es am Abend zuvor abgestellt hatte. Kein Knöllchen an der Windschutzscheibe, noch sonstwo am Wagen. Eine Verwechslung, ein Versehen? Nein, ein Scherz, denke ich. Am Ende des Schreibens der Hinweis, dass Widerspruch eingelegt werden könne. Gemeinsam mit einem befreundeten Anwalt widerspreche ich. Dann höre ich lange nichts mehr von der Behörde, glaube, die Sache sei erledigt.
Ende Dezember 2001
Mittags 12 Uhr: Ein Abholschein von der Post in meinem Briefkasten. Sofort mache ich mich auf den Weg. Ausgehändigt wird mir ein blauer Umschlag – von der Landespolizeiverwaltung, Landeshauptkasse.
Wieder ging es um den 13. Oktober 2000. „Der Widerspruch gegen den Kostenfestsetzungsbescheid vom 13. Oktober 2000 wird abgelehnt“ , lautet der Text. 126 DM sind zu zahlen. Nun verstehe ich, dass es die Behörde offenbar ernst mit ihrer Forderung meint. Vollkommen durch den Wind, setze ich mich in eine Ecke und versuche meinen Rechtsanwaltsfreund zu erreichen – Fehlanzeige.
Nur eine Mittdreißigerin, die Überweisungen ausfüllt, kümmert sich um mich. „Na, schlechte Nachrichten?“ Ich schildere mein Problem. „Ach wissen Sie, mein Mann hat sowas vor Jahren auch mal bekommen. Er hat sich wochenlang mit den Behörden herumgeschlagen. War aber alles umsonst, zum Schluss hat er gezahlt. Er ist ja auch nicht in der Rechtsschutz.“ Das bin ich auch nicht, nicht einmal im ADAC. Aber der Wagen wurde nicht abgeschleppt – wie soll ich das beweisen? Ich lese den Brief wieder und wieder, 126 Mark – wofür wird mir nicht klar. Ich resigniere und zahle.
Mitte März 2002
Abends 18 Uhr: Feierabend ... und wieder ein Schreiben von der Landespolizeiverwaltung, Landeshauptkasse. Eine Mahnung!
Wieder geht es um den 13. Oktober 2000, leider immer noch um Gebühren – diesmal Abschleppgebühren. Der Brief erreicht mich am 26. März 2002. Datiert aber vom 15. März 2002. 77,77 Euro soll ich berappen. Die bis dato angefallenen Verspätungszuschläge von 0,11 Cent und die 1,50 Euro Mahngebühr hat man mir vorsorglich schon aufgeschlagen. Ich rufe in der Behörde an. Meine Unterlagen werden nicht gefunden. „Wenden Sie sich doch bitte an die Landespolizeiverwaltung, Hindenburgstraße 47, Rechtsabteilung. Die müssten das in der Akte haben.“ so eine Angestellte. Also: Landespolizeiverwaltung ...
Dort habe ich gleich den Chef der Abteilung, Günter Frisch, am Apparat. „Der Vorgang geht eindeutig aus den Akten hervor“, so Frisch. Welcher Vorgang denn? Ich hatte nie ein Knöllchen bekommen, geschweige denn überwiesen. Mein Wagen wurde nicht abgeschleppt. Ich hatte Widerpruch eingelegt. So der Stand der Dinge aus meiner Sicht. Und da liegt der Hase im Pfeffer, denn „die Ende 2001 gezahlten 126 Mark sind die Kosten für die Bearbeitung des Widerspruchs“. Und weil ich die bezahlt hätte, hätte ich auch das Verfahren anerkannt.
Welches Verfahren? „Wir sind bei dem Abschleppunternehmen in Vorkasse getreten. Was glauben Sie denn, wer diese Kosten nun übernimmt – der Steuerzahler?“ wettert Frisch. Und ich zahle wieder, für etwas, was nie geschehen ist.
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