: Das lange Warten auf die große Show
Die friedliche Demonstration der „Achse des Friedens“ endete am Mittwochabend in stundenlangen Rangeleien. Dann hatte die Polizei keine Lust mehr und räumte mit Wasserwerfern. Die scharfe Kritik der Veranstalter weist sie zurück
Der ausgesprochen friedliche Protestmarsch der „Achse des Friedens“ hat am späten Mittwochabend doch noch zu den von vielen befürchteten Ausschreitungen geführt. Die gut 20.000 Teilnehmer waren zunächst zur Abschlusskundgebung auf den Schlossplatz und in den Lustgarten geströmt. Nur ein schwarzer Block in Kindergartengruppengröße und -verhalten versuchte die Polizisten zu provozieren, die die Schlossbrücke Richtung Pariser Platz rigoros abgeriegelt hatte. Flaschenwürfe und kurzzeitig brennende Transparente lockten jedoch nur eine Hundertschaft Fotografen aus der Reserve. Die Polizei rückte erst spät und bedächtig vor. „Wir wollen Frieden, keine Gewalt“, erinnerten Demoteilnehmer an den eigentlichen Sinn des Protestes, die jungen Vermummten antworteten: „Ohne uns.“
Gegen 21 Uhr stürmten Polizeigruppen die dicht bevölkerte Rasenfläche vor dem Alten Museum, vermutlich wegen einer brennenden Fahne. Etwa eine halbe Stunde hetzten die Beamten hin und her. Flaschenwerfer wurden von friedlicheren Demonstranten zurückgehalten, während mitten im Getümmel Nackte im Brunnen badeten. Es gab Festnahmen und Verletzte.
Passend für eine Friedensdemo beruhigte erst eine überdimensionale Pappmaschee-Taube die Lage. „Wir wollten die eigentlich zum Auto bringen“, erklärte später Laura von Wimmersperg, Koordinatorin der Berliner Friedenskooperative (Friko). Doch als die Gruppe mit dem „komischen Vogel, der seit 1981 bei jeder Demonstration dabei war“, so die 67-Jährige, quer über die Wiese zog, hätten Demonstranten und Polizisten plötzlich gelacht und geklascht. Stundenlang setzte die kleine Gruppe ihre ungeplante Deeskalationsmaßnahme fort. Überall, wo es nur im Ansatz zu erneuten Rangeleien kam, tauchte die Taube auf. „Die jungen Leute waren ansprechbar, überhaupt nicht aggressiv“, betonte von Wimmersperg.
Obwohl sich die Lage stabilisierte, verblieb eine Hundertschaft der Polizei zwischen tausenden Demonstranten. Von den Domtreppen wurden die Beamten wie in einem Stadion mit „Haut ab!“-Sprechchören angefeuert. Vereinzelt flogen noch Flaschen. „Das Abziehen der Polizei hätte die eigentlich gute Situation entspannt“, meinte von Wimmersperg. Die Polizei blieb und forderte umgekehrt die Anwesenden mehrfach auf, das Gelände zu verlassen. Ab 23.25 Uhr räumte sie schließlich mit Wasserwerfern den Platz und drängte die Menge über den Alexanderplatz bis in die Prenzlauer Allee. Unterwegs gab es, anders als im Lustgarten, dann für Mutwillige auch etwas zu zerstören. Schaufenster bei McDonald’s, Kaufhof und Burger King gingen zu Bruch. Erst gegen 1 Uhr morgens hatte sich die gesamte Menge zerstreut. Nach Polizeiangaben wurden 44 Beamte verletzt und 58 Personen festgenommen.
Anfangs habe sich die Polizei einfach ungeschickt verhalten, klagte von Wimmersperg, der Wasserwerfereinsatz sei dann überzogen und unangemessen gewesen. Die Polizei wies jegliche Kritik zurück. „Wir hatten eine Engelsgeduld“, meinte Gesamteinsatzleiter Gernot Piestert. Die Demonstration sei um 21 Uhr beendet gewesen, „aber die Leute wollten nicht nach Hause gehen“. Stattdessen seien „Feuerchen gemacht“, Polizisten beworfen und Steindepots angelegt worden. „Irgendwann“, so Piestert, „ist mal Schluss mit lustig.“ Den seit Tagen im Einsatz befindlichen Beamten sei ein längeres „Katz-und-Maus-Spiel“ nicht zuzumuten gewesen.
Ebenso wie Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und der neue Polizeipräsident Dieter Glietsch bewertet Piestert die Einsätze rund um den Bush-Besuch als Erfolg. Nicht nur weil der US-Präsident „unhelligt“ geblieben sei, auch wegen der „guten Kooperation“ zwischen Polizei und Demo-Veranstaltern. GA/PLU
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