: Der Trend zur Schönheit
Jeder zweite Bundesbürger ist mit seinem Körper nicht zufrieden. Das Geschäft in Sachen Schönheit boomt. Immer mehr Hautärzte versuchen sich in kosmetischer Medizin
Zum Hautarzt wegen Akne, Muttermalen, Fußpilz – das ist selbstverständlich. Doch wer heute in die Praxis eines Dermatologen geht, der findet dort noch mehr: Intensiv-Peeling, Soft-Laser gegen Krähenfüße, Computer-gestützte Hautanalyse, Epilieren unerwünschter Haare oder Absaugen von Fettpölsterchen.
Die modernen Hautärzte kümmern sich nicht mehr um Heilung allein, sondern auch um kosmetische Korrekturen. Nicht wenige von ihnen haben diesen Aspekt bereits zu ihrem Hauptbroterwerb gemacht, und sie leben gut davon. Denn im Unterschied zum alltäglichen Heilgeschäft werden die ästhetischen Dienstleistungen überwiegend privat abgerechnet, und dort winken auch dickere Renditen als aus den immer spärlicher werdenden Zuwendungen der Krankenkassen.
Moralische Gewissensbisse plagen die Hautärzte bei ihrem kosmetischen Zusatz- oder Hauptverdienst nur wenig. Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft machte die Verschönerungsstrategien auf ihrer letztjährigen Tagung sogar zum Themenschwerpunkt. Tagungspräsident Professor Wolfram Sterr erklärte dabei, „dass ästhetische Gesichtspunkte schon immer Teil der Arbeit des Dermatologen waren“. Denn schließlich ginge es bei der Behandlung von Brandwunden, Akne und anderen Hauterkrankungen ja immer schon auch um schönheitliche Aspekte.
Professor Erwin Schöpf von der Uni-Hautklinik in Freiburg betonte zudem, dass es vor dem Hintergrund des aktuellen Trends zur perfekten Schönheit – immerhin sind fast 60 Prozent der Frauen und über 40 Prozent der Männer mit ihrem äußeren Erscheinungsbild unzufrieden – nur positiv sein könne, wenn sich wissenschaftlich qualifizierte Hautspezialisten des Themas annehmen würden.
„Von dem, was ein Kosmetikstudio anbietet“, so Schöpf, „unterscheidet sich unser Leistungsspektrum dadurch, dass es sich meist um intensivere Verfahren und medizinische Eingriffe handelt, die über rein dekorative Kosmetik hinausgehen.“
Beispiel: Intensiv-Peeling. Während in Kosmetiksalons der Einsatz von Fruchtsäuren (Alphahydroxysäuren) zur Hautschälung nur in niedriger Konzentration erlaubt ist, kann der Dermatologe weit darüber hinausgehen.
Auch medikamentöse Behandlungen für den Haarausfall, Rubinlaser zur Entfernung von Tätowierungen und Spritzungen mit dem Gift Botulin zur Faltenglättung kann der Kunde nur beim Mediziner, nicht aber im Kosmetikstudio erwarten.
Zu den absoluten Domänen der Hautärzte zählen aber Lifting und Liposuktion (Fettabsaugung). Pro Jahr lassen sich etwa 100.000 Bundesbürger ihr Fett absaugen. Die Behandlung kostet bis zu 5.000 Euro – und sie ist nicht ungefährlich. Bei missglücktem Absaugversuch kann sich die Haut in eine streuselkuchenartige Kraterlandschaft mit hässlichen Narben verwandeln. Entstellungen, die bereits für einen eigenen Markt gesorgt haben.
Der Deidesheimer Schönheitschirurg Armand Herberger schätzt, dass rund 5 Prozent seiner Patienten zu ihm kommen, um sich von Schäden befreien zu lassen, die ihnen von einem anderen kosmetischen Mediziner zugefügt wurden. Rechtsanwälte verzeichnen in den letzten Jahren einen deutlichen Zuwachs an Mandaten im Bereich der Schönheitschirurgie.
Wer also zwecks operativer Verschönerung zum Hautarzt geht, sollte sich nicht zu sicher fühlen. Denn Begriffe wie Bio-Lifting oder Schönheitschirurg sind gesetzlich nicht geschützt, sie sagen nichts über die tatsächliche Qualifikation des Arztes und der von ihm eingesetzten Methode. Experten wie Professor Edgar Biemer von der Deutschen Gesellschaft für ästhetisch-plastische Chirurgie raten daher den Patienten, den Arzt nicht nur nach seiner Fachausbildung zu fragen, „sondern auch danach, wie oft er eine bestimmte Operation schon durchgeführt hat“.
JÖRG ZITTLAU
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen