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Nazi-Name soll weg

Wilmersdorfer Seebergsteig soll nach jahrelangem Streit umbenannt werden. Grüne sehen Probleme wegen Doppelbenennung. CDU will sich nicht sperren

Nach jahrelangem Stillstand kommt es wahrscheinlich doch noch zu einer Umbenennung des Seebergsteigs im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Bisheriger Namensgeber ist der evangelische Theologe Reinhold Seeberg – ein Antisemit und geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus. Bereits 1991 hatten die Bezirksverodneten mit Stimmen von SPD, Grünen und FDP beschlossen, die Straße im Ortsteil Grunewald nach dem Berliner Essayisten Walter Benjamin zu benennen, der lange in Wilmersdorf lebte und sich 1940 auf der Flucht vor den Nazis das Leben nahm.

Die Umbenennung konnte jedoch nie ausgeführt werden, weil Anwohner mit Unterstützung durch die CDU dagegen klagten. 1996 nutzte die Union ihre neu gewonnene absolute Mehrheit im Bezirk kurzerhand, um den Beschluss zu kippen.

Seit den Wahlen im vergangegen Jahr haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Bezirk zugunsten von Rot-Grün geändert und so will die SPD die Idee erneut auf die Tagesordnung der morgigen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) setzen. „Unsere Argumente von damals sind immer noch gültig“, erklärt SPD-Fraktionschef Marc Schulte.

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen stimmt der Umbenennung des Seebergsteigs zwar weiterhin zu, sieht aber Probleme wegen einer möglichen Namensdopplung. Denn mittlerweile trägt der Platz in den Leibniz-Kolonnaden den Namen Benjamins. Deshalb sei es „nicht mehr tragfähig“, Benjamin als Namenspatron heranzuziehen, sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Claudia Rathjen. „Für den neuen Namen muss ein breiter Konsens bestehen“, betont Rathjen, „außerdem gibt es heute die Richtlinie, Straßen eher nach Frauen zu benennen.“

Die CDU will sich gegen eine Umbenennung „nicht sperren“, fordert aber eine Befragung der Anwohner. Heute wird entschieden, ob die Umbenennung vor einer endgültigen Abstimmung zunächst in den zuständigen Ausschüssen beraten wird.

Seeberg hatte sich 1933 ausdrücklich gegen die Bekennende Kirche gewandt und die Verbindung von Nationalsozialismus und Kirche propagiert. Zu Ehren des Anhängers der nationalsozialistischen Deutschen Christen, der sich wiederholt antisemitisch äußerte, tauften die Nazis die damalige Dunckerstraße in Grunewald kurz nach seinem Tod 1935 in Seebergsteig um. Insgesamt änderten die Nazis in Wilmersdorf damals elf Straßennamen, um die jüdischen Namensgeber aus dem Stadtbild zu tilgen. BENJAMIN DIERKS

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