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Dings statt Bums

DAS SCHLAGLOCH von Friedrich Küppersbusch

Wird man der organisierten Liberalität gerecht, wenn man sie an altmodischenStandards misst?

Gelb und Blau ergibt das Grün der Zeit. Kann man alles ineinander panschen: Gründerzeit. Auseinander! ruft’s, dabei sind sie so schwer auseinander zu halten: Mölle und Karsli, auch den Özdemir nähmen sie gern, dem Metzger haben sie es angeboten; man kann sich in den Freien Demokraten so ziemlich alle und alles vorstellen.

Muss man nur schnell machen, sonst ist es schon passiert. Möllewelle Schnarrenbrücher, alle Kinder singen mit. Während Fried- und Möllemann sich im Rumbolzen tragisch immer ähnlicher werden, schüren beide antisemiotische Stimmung: Zeichen statt Inhalt, Symbole statt Ideen, Dings statt Bums. Wie traurig.

Erfunden haben dies die grünen Gründer. Kakteen im Parlament, strickende Abgeordnete, die erste Bundestagsfraktion ein Konvolut aus der Abteilung „als die Castingredaktion mal ganz schön bekokst war“. Überhaupt verhält sich Grün gestern zu Liberal heute wie die Fußbroichs zu „Big Brother“.

Wo Claudia Roth sich traditionsbewusst zum Haschplätzchen bekennt, glänzt Wolfgang Gerhardt als der Designerdröge. Wo die Grünen Fragen der Machtbeteiligung diskutierten, als ihnen wirklich noch niemand ernstlich davon abgeben wollte, großkotzt es heute 18prozentig aus dem Dehler-Haus. Im Bemühen, sich wichtiger zu nehmen als man ist, ähnelt beides einander. Mit öffentlichem Fraktionsmobbing fütterten die Ökos gern und viel die Medien, die dafür erst 20 Jahre später den Begriff der „Eventpolitik“ erfinden sollten.

Unterscheiden kann man sie vielleicht am Grad der Authentizität; das ist ja oft so, wenn eine zeitgemäße Idee aus der Subkultur zum Kommerz aufsteigt; etwa ein Underground-Musikstil aus verschmuddelten Probekellern in die Charts oder eine schwarze französische Filmkömodie als buntes Hollywood-Konfekt in die weltweiten Multiplexe.

Einiges am Geplapper über die vermeintliche Party-Partei FDP gemahnt drollig an die Aufregung über so genannte Popliteraten ein, zwei Jahre zuvor. Auch denen warf man gern vor, mindere Begabung und Mangel an Anliegen durch Attitüde und eitle Garderobe ersetzen zu wollen. Dahinter steckt ein Klischee von Literatur, wonach nur wahre Kunst sei, was unter Entbehrungen im kalten Dachstübchen erbrütet ward. So, als sei Politik nur, was aus persönlich erlebtem Schicksal weise und entschlossen auf das große Ganze gesehen zu lernen sei.

In diesem herkömmlichen Verständnis von Politik hieße es, den Gegner an der schwächsten Stelle anzugreifen, erwischte man ihn bei Widersprüchen, faulen Kompromissen, beim Verrat der Ideale. Hat es Sinn, mit FDP-Mann Schmidt-Jortzig zu rechten, wie er es als Justizminister fertig brachte, gleichzeitig für, gegen und scheißegal zu votieren im Streit um das „Soldaten sind Mörder“-Zitat?

Vermochte Oberlippen- und auch sonst Groß-Schnauzer Möllemann irgendjemanden zu enttäuschen, als er Subventionsabbau versprach und dann aber auch ohne ganz gelenkig Wirtschaftsminister blieb? Kurz – wird man der organisierten Liberalität gerecht, wenn man sie immer noch an altmodischen Standards misst?

Grüne sehen sich stets dem Vorwurf gegenüber, als Friedensbewegung im Kampfeinsatz geendet, als Radikaldemokraten im Koalitionsproporz erstickt zu sein. Nur mählich und unter allerdings nachlassendem Schmerz streifen sie derart bindende Positionen ab; zur Rechten sah man wie zur Linken Ströbele und Schily sinken.

Je inniger sich die FDP an den Maßstab „Erfolg“ kettet, desto flexibler wird sie mit Inhalten umgehen

Gönnt man sich das parteiadäquate Spaßvergnügen, sich als zentrale Aussage der FDP den Slogan „Karriere ist nicht schlimm“ zu denken, sortiert sich plötzlich alles schnurgerade: der rücksichtslose Austausch vermeintlich unveräußerlicher Positionen, die helle Begeisterung gerade jüngerer Wähler, das habituelle Arschwackeln in jede freierverheißende Richtung. Setzt man den Begriff „Partei“ inhaltlich mit „Themenagentur“ gleich, landet man ziemlich nahe bei Kreativdirektor Guido Westerwelle, der mal gegen Kampfhunde, mal für Israel, für mehr Bildung und gleichzeitig weniger Schuljahre ficht; den Großen Lauschangriff durchbrachte, den er „persönlich nicht nötig“ fand.

„Die Jugend“, so klagt es allgemein und von Generation zu Generation heftiger und altersweiser, „interessiert sich nicht mehr für Politik“. Marktwirtschaftlich gedacht gälte es also, dieser attraktiven Zielgruppe ein weitgehend politikfreies Angebot zu machen; etwas, das kachelt und kracht und notfalls eh nicht so gemeint war.

Der Versuch, der Möllewelle-FDP eine moralische Antisemitismusdebatte aufzuzwingen, bevor die neuen Umfragewerte vorliegen, ist so quer wie der, einem Industriellen Umweltschäden seiner Produkte vorzurechnen, solange die sich gut verkaufen.

Das ist doch tröstlich: je inniger sich die FDP an den Maßstab „Erfolg“ kettet, desto flexibler, ja nachgerade liberaler wird sie mit Inhalten umgehen müssen. Unvergessen Klaus Kinkels Standardfrage, wie denn das wohl im Ausland ankomme, als in Deutschland Asylbewerberheime brannten. Konventionelle Politiker hätten hier eher gefragt, wie das denn wohl im Inland ankommt. Doch mit dem Hinweis auf die Imagewirkung auf den wichtigen Exportmärkten ist der, den sich Kinkel als Wähler vorstellt, offenbar eher zu beeindrucken gewesen. Wem es bevorzugt darum geht, einflussreiche Lobbys fröhlich zu stimmen, der wird am Ende glauben, dass es sie gibt.

Armer, armer Mölle.

Bleibt ein bizarrer Wettlauf der Untoten: Eben noch fanden die Grünen sich großzügig bereit, die FDP zu beerben – da kaspert jugendfrischer Spontigeist eben dieser äußerst Liberalen aus den hochwertig verarbeiteten Knopflöchern. Noch empört man sich, wie Joschka Fischers Matrosen lang gehegten Idealen geschmeidig über Bord helfen, da glänzt plötzlich der schüttere Rest an unverrückbaren Werten als kostbares Alleinstellungsmerkmal der Grünen. Bei den Inhalten mögen die Grünen die FDP, bei den Formen umgekehrt die Liberalen die Grünen beerbt haben?

Überhaupt verhält sich Grün gestern zuLiberal heute wiedie Fußbroichs zu„Big Brother“

Event. Uell.

Und Mist! Jetzt ist meine Wahlstrategie im Eimer. Natürlich hatte ich, wie jeder vernünftige Mensch, fest vor, bis zirka zum 22. 9. morgens garantiert nicht wählen zu gehen. Nicht die SozenOhneLotsen, nicht die Natogrünen; nicht die trügerischen „in der Opposition sind wir gar nicht so dumm“-Konvervativen und die Trachtengruppe Ost.

Nun muss ich einräumen, dass man die Haider-heißt-jetzt-Twix-sonst-ändert-sich-nix-Liberalen noch viel nichter als die andern nicht wählen kann. Wenn man, ja, alt ist. Altmodisch. Wertkonservativ. Vermutlich freuen die sich noch drüber, wenn man über vierzig ist und damit die FDP-Abneigung begründet. So ähnlich funktioniert Viva auch.

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