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Syrer wieder aufgetaucht

Der Journalist und Menschenrechtsaktivist Nizar Najouf ist bei einem Kongressin Belgien vorübergehend verschwunden. Er selbst redet von einer Entführung

KAIRO taz ■ Eigentlich sollte der syrische Journalist und Menschenrechtsaktivist Nizar Najouf am Montag auf dem 55. Weltkongress der Tagespresse im belgischen Brügge einen Preis entgegennehmen. Zuvor standen ein paar einführende Worte zur mangelnden Pressefreiheit in seinem Heimatland auf dem Programm. Doch der Träger des „Golden Pen for Freedom“-Preises war nicht erschienen.

Nachdem sein mitgereister Bruder Salah ihn bei der belgischen Polizei als vermisst gemeldet hatte, tauchte Najouf am Abend wieder überraschend auf – in einem Anderlechter Krankenhaus. Der Polizei brachte er eine bizarre Entführungsgeschichte zu Protokoll. Er sei beim Verlassen seines Hotels in ein Auto gezerrt und mit verbundenen Augen in einen Wald gebracht worden. Dort sei er betäubt und ausgesetzt worden. Ein Motorradfahrer habe ihn gefunden.

Seitdem wird spekuliert, was hinter dem Zwischenfall steckt. Najouf war vor einem Jahr schon einmal in Damaskus für zwei Tage verschwunden. Nach seinen Angaben war er damals von einem der syrischen Geheimdienste entführt und verhört worden. Ein Vorfall, den die syrische Regierung abstreitet.

Najouf war damals gerade aus einer neunjährigen Haft entlassen worden. Der Redakteur der Zeitschrift Saut Al-Demokratiya (Stimme der Demokratie) war 1992 zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt worden, nachdem er den syrischen Behörden mit seinen Forderungen nach demokratischen Rechten immer mehr ein Dorn im Auge geworden war. Als sich die politische Atmosphäre mit der Machtübernahme des jungen syrischen Präsidenten Baschar al-Assad ein wenig lockerte, war Najouf letztes Jahr im Mai vorzeitig entlassen worden.

Der Gründer des in Syrien verbotenen „Komitees zur Verteidigung demokratischer Freiheiten und Menschenrechte“ lebt inzwischen in Frankreich, wo er medizinisch behandelt wird. Der langjährige Aufenthalt im Gefängnis und wiederholte Folter haben ihre Spuren hinterlassen. Najouf stützt sich auf Krücken und sitzt zeitweise im Rollstuhl.

Laut seinem Bruder soll Nizar Najouf auch diesmal von einem der syrischen Geheimdienste in Belgien kurzzeitig verschleppt worden sein. Es wird spekuliert, dass es sich um eine Warnung handeln könnte. Wie die arabische Tageszeitung Al-Hayat berichtete, soll Najouf beabsichtigt haben, vor einem belgischen Gericht eine Kriegsverbrecher- und Menschenrechtsklage gegen mehrere syrische Persönlichkeiten einzureichen. Die Zeitung zitiert aber auch syrische Quellen in Damaskus, die davon sprechen, dass Najouf die Entführung inszeniert haben soll – aufgrund seines „Dranges, im Rampenlicht zustehen“.

Der Weltverband der Tagespresse (WAN), auf dessen Kongress Najouf am Montag geehrt werden sollte, hat in einer Erklärung ihre Sorge um die weitere Sicherheit des syrischen Menschenrechtsaktivisten ausgedrückt. Angeblich hat Najouf bereits mehrere Todesdrohungen erhalten. In Syrien selbst liegt seit letztem Herbst wieder ein Haftbefehl gegen ihn vor, weil er, wie es dort heißt, „Lügen im Ausland verbreitet“.

Erst vor wenigen Wochen hat das Internationale Presseinstitut (IPS) in einem offenen Brief an den syrischen Präsidenten auch auf das Schicksal der in Syrien verbliebenen Familie Najouf aufmerksam gemacht. Wiederholt soll es gegen Mitglieder der Familie zu gewalttätigen Übergriffen auf offener Straße gekommen sein. Einige von ihnen haben ihre Arbeit verloren, anderen wird der Zugang zur Universität verwehrt. Für das Internationale Presseinstitut IPS gilt der Fall Najouf als eine Messlatte, wie ernst es das syrische Regime tatsächlich meint mit seinem von Baschar Assad vor zwei Jahren angekündigten politischen Reformprogramm.

KARIM EL-GAWHARY

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