Möllemann gibt nach – und gewinnt

Der stellvertretende FDP-Chef hat seiner Partei deutlich genug gemacht, dass an ihm kein Weg vorbeiführt. Nun räumt er doch Fehlverhalten gegenüber Michel Friedman ein. Damit verschafft er dem Parteivorsitzenden Guido Westerwelle wieder Luft

aus Berlin BETTINA GAUS

Zum ersten Mal hat der stellvertretende FDP-Vorsitzende Jürgen Möllemann eigene Fehler eingeräumt. „Ich hätte das so nicht sagen und das Ganze bedenken sollen“, sagte er gestern Abend dem WDR im Zusammenhang mit seinen Vorwürfen gegenüber dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Michel Friedman. Vorangegangene Äußerungen von Möllemann, denen zufolge Friedman mit seinem Verhalten selbst zum Antisemitimus beitrage, hatten zuvor zu einem schweren Zerwürfnis zwischen Zentralrat und FDP geführt.

Parteichef Guido Westerwelle hat nun ein wenig Luft gewonnen. Aber eben nur ein wenig: Möllemann machte mit dem –kalkuliert späten – Zeitpunkt seiner Erklärung zugleich deutlich, dass er es ist, der in der FDP das Heft des Handelns in der Hand hält. Lange sah es so aus, als müsse Westerwelle nach seiner Heimkehr aus Israel heute Abend die heikelste Aufgabe seiner bisherigen Laufbahn bewältigen. So heikel, dass er sogar angekündigt hatte, sich Hilfe holen zu wollen: Er bat einen israelischen Vermittler, den Konflikt zwischen seinem Stellvertreter Jürgen Möllemann und dem Zentralrat der Juden zu entschärfen.

Entsprechende Gerüchte hatten FDP-Kreise noch bis kurz vor ihrer Bestätigung für eine Zeitungsente gehalten. Das wäre doch absurd, so hieß es. Um Führungsstärke zu zeigen, müsse der Parteichef mit dieser Situation schon selber fertig werden. Offenbar wurde er das nicht. Das verdankt er Möllemann. Statt sich an die politische Regel zu halten, der zufolge einem Politiker auf Auslandsmission der Rücken freizuhalten ist, feuerte dieser zunächst sogar nach.

Noch am Montag hatte der FDP-Politiker es im Fernsehen ein weiteres Mal ausdrücklich abgelehnt, sich für seine Äußerungen zu entschuldigen. In der Illustrierten Bunte forderte er gar erneut eine Entschuldigung von Friedman, weil der ihn zum Antisemiten gestempelt habe. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, erklärte daraufhin, er sehe keine Gesprächsmöglichkeit, so lange der FDP-Politiker seine Äußerungen nicht „relativiert, zurücknimmt oder sich entschuldigt“. So etwas nennt man Stellungskrieg.

Wer in den letzten Tagen mit FDP-Kreisen sprach, gewann den beherrschenden Eindruck von tiefer Ratlosigkeit. Alle schienen unentwegt miteinander zu telefonieren – aber eine vernünftige Lösung des Konflikts war nicht in Sicht. Möllemann habe doch in den letzten Tagen so hart Kontra bekommen wie selten zuvor, meinte einer vorsichtig hoffnungsvoll. Generalsekretärin Cornelia Pieper werde von ihrer Forderung bestimmt nicht abgehen, Möllemann müsse „eine unmissverständliche Klarstellung“ seiner Äußerungen vornehmen. Und wenn nicht? Schweigen.

Jürgen Möllemann war mit seiner Strategie erfolgreich. Seine augenzwinkernde Botschaft ist bei den Adressaten angekommen, und außerdem hat er seiner Partei und ihren Spitzengremien deutlich gemacht, dass an ihm kein Weg vorbeiführt. Westerwelle ist jetzt Chef von Möllemanns Gnaden. Der hat sich im Laufe seiner Karriere zwar viele Feinde gemacht, aber eben stets auch gewusst, wie und wo er Verbündete finden konnte. Deshalb sitzt er am längeren Hebel.

Die internen Gegner des Berufspolitikers haben ungeachtet aller Kritik keine allzu konkreten Forderungen erhoben. Zum einen wollten sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen, das Bild einer zerstrittenen Partei zu befördern und damit den Wahlerfolg zu gefährden. Zum anderen waren sie in der schwächeren Position. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen steht dem Vernehmen nach geschlossen hinter Möllemann, obwohl doch auch Westerwelle dort seine Heimat hat. Die FDP in Niedersachsen hatte auch früher schon einen nationalliberalen Flügel. In Schleswig-Holstein regiert mit Wolfgang Kubicki ein langjähriger Freund von Möllemann.

Auf der anderen Seite standen Leute wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger aus Bayern, deren Landesverband ziemlich bedeutungslos ist, Parteigrößen wie Hildegard Hamm-Brücher, die zwar als moralische Autoritäten, aber kaum als Hoffnungsträger gelten können, und alte Möllemann-Gegner wie Walter Döring aus Baden Württemberg. Der hat den Versuch, „ganz rechts Stimmen zu sammeln“, als „katastrophal“ bezeichnet und der FDP-Führung in Berlin eine allzu gelassene Reaktion vorgeworfen. Wie sie hätte reagieren sollen, hat er aber nicht gesagt.

Was hat Jürgen Möllemann angetrieben? Viele halten ihn für verbittert, weil er es war, dem die Strategie eingefallen ist, einen FDP-Kanzlerkandidaten zu benennen und 18 Prozent der Stimmen als Zielmarke auszugeben – Guido Westerwelle jedoch dafür den Erfolg einheimst. Bei den Liberalen ging jetzt bereits die Angst vor der Spaltung um. Nicht grundlos. 1997 wurde Möllemann von der taz gefragt, was er denn täte, wenn ihn die FDP jemals aus ihren Reihen ausschlösse. Damals musste er nicht lange überlegen: „Eine neue Partei gründen.“ Und nach kurzer Pause: „Ich lass mir doch nicht von einer Partei vorschreiben, ob ich mich politisch betätigen kann.“