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Die Kriminalisierung von Bruder Klaus

Die Bahn AG hat einen Obdachlosenhelfer wegen Hausfriedensbruchs angezeigt, weil er im Bahnhof Zoo Brot an Bedürftige verteilte. Bei einer Demonstration im Bahnhof kritisiert auch Sozialsenatorin die Ausgrenzungspolitik

Für Andreas Fuhrmann ist die Sache ganz klar: Ein Bahnhof ist kein öffentlicher Raum. Da gibt es eine Hausordnung, und wer sich an diese nicht hält, ist fehl am Platz. Unentwegt erläuterte der stellvertretende Sprecher der Bahn AG in Berlin-Brandenburg gestern die Position seiner Firma. Mit Sätzen wie: „Unsere Bahnhöfe sind nicht die Wärmestube der Nation“, stand er jedoch – umringt von Demonstranten – auf verlorenem Posten.

Die Arbeitsgemeinschaft „Leben mit Obdachlosen“ protestierte am und im Bahnhof Zoo gegen die Vertreibung von Armen und Obdachlosen. Anlass war eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs gegen Klaus Schneider, ein Mitglied der katholischen Gemeinschaft der Pallottiner. Der war Anfang April – wie an jedem Samstag in den letzten vier Jahren – mit zwei anderen Ordensmitgliedern am Bahnhof Zoo unterwegs, um Käse- und Wurstbrote an Bedürftige zu verteilen. Dergleichen ist laut Hausordnung nicht erlaubt, Sicherheitsleute der Bahn Schutz & Service GmbH (BSG) sprachen Bruder Klaus deshalb an. Nach einigem Hin und Her stellte die Bahn Strafanzeige und erteilte dem Ordensbruder ein einjähriges Hausverbot.

„Der Herr war schon des Öfteren aufgefallen. An jenem Tag ignorierte er unsere Mitarbeiter und strafte sie mit einem hämischen Grinsen ab“, erklärt Bahnsprecher Andreas Fuhrmann. „Ich wehre mich dagegen, dass die Bahn als Sündenbock in der Obdachlosenproblematik benutzt wird.“ Dies sei eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit, an der die Bahn sich durchaus zu beteiligen versuche, etwa durch die finanzielle Förderung der Straßenkinder-Stiftung „Offroad Kids“. Man wolle jedoch nicht, dass durch das Verteilen von Essen im Bahnhof oder in den Bahnhofsmissionen Obdachlose angelockt werden.

„Wir suchen die Bedürftigen einfach dort auf, wo sie sich auch sonst aufhalten“, meint hingegen Bruder Klaus. „Das soll keine Provokation sein.“ Dennoch waren die drei Pallottiner durchweg schon von Bahn-Sicherheitspersonal verwarnt worden, und einem Pater war laut Bruder Klaus sogar angedroht worden, in Handschellen abgeführt zu werden. Er räumt ein, dass er „vielleicht ein wenig schelmisch geschaut“ habe, bevor die Bahnleute ihn herauswarfen.

Die rund 50 Menschen bei der Kundgebung der AG „Leben mit Obdachlosen“ warfen der Bahn vor, Menschengruppen pauschal als schädlich einzustufen. Roland Otte, Landeschef der Humanistischen Union, erklärte: „Die Ausgrenzung von Obdachlosen aus dem Blickfeld der shoppenden Gesellschaft beobachten wir mit Sorge.“ Diese anfangs schleichende Entwicklung schreite inzwischen mit Siebenmeilenstiefeln voran. „Die jüngsten Versuche der Bahn, sogar jene zu verbannen, die Obdachlosen helfen wollen, ist empörend“, so Otte.

Auch Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner war vor Ort. „Bahnhöfe müssen weiter freie Räume bleiben“, forderte das PDS-Mitglied und erntete damit viel Beifall. Weitere prominente Kundgebungsteilnehmer waren Exkultursenatorin Adrienne Goehler sowie Volker Ludwig, der Leiter des Grips Theaters.

Daraufhin ging es in das Bahnhofsgebäude, Blumen und Flugblätter wurden an Passanten verteilt. Auch das ist ein Verstoß gegen die Hausordnung. Danach sind das Verteilen von Handzetteln und Demonstrationen nur mit Genehmigung der Bahn erlaubt. Diesmal schritten die Sicherheitsleute nicht ein. Fuhrmann: „Wir denken gar nicht dran, uns hier so zu zeigen, wie es von uns erwartet wird.“

CHRISTOPH SCHULZE

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