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Die Furcht vor leeren Versprechungen

Immerhin eine Erkenntnis bringt der Workshop über afghanische Medien: Fremde Hilfe ist dringend nötig

BERLIN ■ taz Mohammed Sahir Siddiq, Chefredakteur des staatlichen Senders TV Afghanistan, wirkte ungeduldig, als er beim Workshop über die afghanische Medienlandschaft der Heinrich-Böll-Stiftung und des Bundespresseamtes eine Zusammenfassung des ersten Arbeitstages abgab. Es war ein Appell an die Vertreter deutscher Stiftungen, Organisationen und Sender: „Seien Sie auf unserer Seite, damit wir später keine Enttäuschungen erleben, sondern auch praktische Ergebnisse sehen“, sagte er.

In der Furcht, dass es bei Versprechungen bleiben könnte, waren sich die fünf anwesenden afghanischen Medienvertreter einig – darunter eine Fotografin und Redakteurin des Frauenmagazins Malalai und eine Journalistin der Nachrichtenagentur Bakhtar. Eines der meistgebrauchten Wörter am Mittwoch in den Hackeschen Höfen war „Bedarfsanalyse“. Zwar fehlt es in Afghanistan so ziemlich an allem – vom Diktiergerät bis zu Schneidegeräten, an Personal und an Ausbildungsmöglichkeiten. Aber was konkret am dringendsten benötigt wird, war niemandem klar. Das lag wohl auch daran, dass die afghanischen Medienvertreter „ohne Konzepte, mit leeren Händen“ nach Berlin gekommen seien, wie der in Deutschland lebende TV-Journalist Fawad Shams anmerkte.

Die Präsentationen von Goethe-Institut, Auswärtigem Amt, Friedrich-Ebert-Stiftung, Konrad-Adenauer-Stiftung und ZDF wirkten jedoch ebenso vage. Vieles wurde genannt, was man machen könnte, doch passiert ist bisher fast nichts. Die Bundesregierung stellt dieses Jahr 80 Millionen Euro für den Aufbau Afghanistans zur Verfügung, 30 Millionen davon werden vom Auswärtigen Amt verteilt. Davon sind lediglich 0,5 Millionen direkt für die Medienhilfe vorgesehen. Geplant ist nun, in Kürze eine zentrale Stelle einzurichten, die diese Unterstützungsmaßnahmen koordiniert.

Bislang wird Hilfe vor Ort hauptsächlich von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) geleistet. Alexandre Plichon von der französischen Organisation Aina, die sich der Entwicklung unabhängiger Medien in Afghanistan verschrieben hat, nannte einige Beispiele, wie NGOs Radiostationen Sendematerial besorgen, eigene Zeitungen herausgeben und sich um die Ausbildung von Journalisten kümmern. Auch die BBC ist seit Februar in Afghanistan, stellte Radio Afghanistan Technik zur Verfügung und bildet 150 Journalisten aus. Die Deutsche Welle hat vor kurzem einen Vertrag mit TV Afghanistan unterschrieben, wonach sie täglich zwei Stunden Programm in Dari und Pastu zuliefert.

Seinen Vortrag eröffnete Plichon allerdings mit einem weniger erfreulichen Beispiel. Das Frauenmagazin Malai, das angesichts des gehaltvollen politischen Inhalts jede Marie Claire oder Brigitte in den Schatten stellt, sowie das Nachrichtenmagazin Kabul Weekly würden dieses Jahr nicht überleben, sollte es nicht bald finanzielle Hilfe geben, verkündete Plichon.

HEIKO DILK

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