: Große Sprüche über große Koalitionen
Kurze Aufregung in der SPD: Stolpe befürwortet eine große Koalition – Schröder weist ihn gelassen zurecht
BERLIN taz ■ Und jetzt beginnt wieder – gähn, gähn! – das Spiel mit der großen Koalition. Noch in jedem Jahr einer Bundestagswahl haben sich Politiker der beiden großen Parteien früher oder später als Anhänger dieser ungeliebten Koalition geoutet.
Ein ganz besonderer Fan ist Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe. Er führt nicht nur selbst eine große Koalition aus SPD und CDU, sondern spricht sich seit mindestens hundertachtzig Jahren regelmäßig für ein solches Regierungsbündnis auch auf Bundesebene aus. Jetzt hat es wieder einmal getan – ausgerechnet in einer Situation, in der die SPD auf ihrem Parteitag am Sonntag gerade beschlossen hatte, die rot-grüne Koalition fortführen zu wollen.
„Es könnte sein, dass sich am Abend der Bundestagswahl rechnerisch eine solche Koalition anbietet“, sagte Stolpe in einem Interview und fügte hinzu, dass er ein solches Bündnis befürworten würde. Auch Stolpes Begründung ist pikant: Die Programme von CDU und SPD würden „nicht so riesenweit auseinander liegen“. Dann schob er noch eine offenherzige Erklärung für Schröders Liebe zu Rot-Grün hinter: „Der Bundeskanzler hat so etwas wie Treueempfinden“, so Stolpe. „Er trennt sich ja auch nicht von Ministern, von denen er nicht mehr so furchtbar viel hält.“
Bei so viel Eigensinn schmiss die SPD-Spitze natürlich gleich am Morgen ihre Dementimaschine an. Generalsekretär Franz Müntefering erinnerte Stolpe an die Linie der Partei: „Die Unterschiede zwischen der Stoiber’schen Politik und uns sind schon riesengroß“, sagte Müntefering. Nach der SPD-Präsidiumssitzung am Vormittag versuchte auch Schröder sofort, die Debatte wieder einzufangen, aber er tat das in einer demonstrativ entspannten Stimmung.
Stolpe sei „ein wirklich guter Freund“ und „ein erfolgreicher Ministerpräsident“, aber den Journalisten sei es gelungen, „selbst einen Profi wie ihn aufs Glatteis zu führen“, so der Kanzler. Natürlich seien solche Koalitionsspekulationen „schädlich“, sagte Schröder. Aber im Präsidium sei deswegen keiner sauer auf Stolpe gewesen. Festzustellen war nach dem Parteitag lediglich eine „fröhliche Müdigkeit“.
Und dann wiederholte Schröder zum Mitschreiben die drei Grundsätze zur Koalitionsfrage. Die SPD wolle erstens stärkste Partei werden. Sie wolle zweitens die rot-grüne Koalition fortsetzen, wenn es das Ergebnis hergibt. Die Partei habe drittens nicht ausdrücklich beschlossen, aber immer mit bedacht, dass jede Art von Spekulation in dieser Frage nichts bringt. Stolpe hatte blöderweise gleich alle drei Punkte vergessen. Aber nach Schröders Erinnerung meldete er sich ganz brav aus Potsdam und stellte klar, dass er selbstverständlich nur bei einem Scheitern von Rot-Grün an eine große Koalition denke. JENS KÖNIG
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