: Kracher mit Suchtfaktor
Verfrühter Breakt, verkürzte Gänsehaut: trotzdem eine wunderbare Dröhnung mit „Favez“ im Magazinkeller
Welch hochkarätiges Leckerli! Mit neuem Album im Gepäck gab‘s von den Herren aus Lausanne am letzten Montag im Schlachthof mal wieder richtig genial auf die Ohren.
Schon ein Phänomen, dass eine Band wie „Favez“ zehn Jahre die Internationale Club-Szene beackert, während schlechte Gitarrenbands auf großen Bühnen reichlich absahnen. Die als Emocore(!) angekündigte Musik überzeugte auch jeden noch so übersättigten Breminale-Gänger, bis auf jene, die nach ihrem Verdauungsspaziergang lieber ins Bett gegangen sind als ins Konzert. Ihnen sei die neue Scheibe „from Lausanne, Switzerland“ wärmstens ans Trommelfell gelegt: interessanter, spannungsgeladener Gitarrenrock zum Abfeiern.
Und das taten unsere Schweizer Helden dann auch auf der Bühne. Die Jungs hatten richtig Bock und waren dabei höllisch ansteckend. Ein vor dem Konzert befragter junger Typ antwortet auf die Frage, was denn unter Emocore zu verstehen sei: „Vergiss es!“ Na, wenigstens Holger von der Schlachthof-Crew wusste, was „Favez“ bedeutet: „verwest!“
Komisch, das passt gar nicht zu ihrer äußerst lebendigen, druckvollen, klasse Mucke. Bei einigen, schwindelerregenden Soundpassagen wäre es sicherlich noch spannender geworden, hätten die Musiker sich eine Weile darauf treiben lassen – doch der verfrühte Break verkürzte allzuoft die Gänsehaut.
Ein wenig zu frickelig waren mir auch die Münsteraner Supporter von „Sweet Zoe“. Außerdem erwies sich die direkte musikalische Verwandtschaft zu „Favez“ als wenig hilfreich für ein überzeugendes Vorprogramm. Allerdings brauchen sich die Münsteraner absolut nicht zu verstecken.“Sweet Zoe“ war sogar die Wunschband der Schweizer für ihre laufende Tournee!!
Am vergangenen Sonntag spielten die Bands in einem Hamburger Musik-Club, was wohl total scheiße war – viel zu teuer und ein ignorantes Publikum. Der Sänger von „Favez“, der stets einen kuriosen Smalltalk mit den Schlachthofgästen führte, konnte sich gar nicht wieder einkriegen und zischelte angewidert zur Gitarre einen eigens komponierten Hamburg-Song. Anschließend äußerte er Verwunderung darüber, dass eine Riesenbockwurst billiger ist als ein kleines Sandwich. Welchen Ärger er auch immer vorher im Konzert gehabt haben mag – so schlimm kann es nicht gewesen sein.
Nach reichlich Getöse im Magazinkeller musste „Favez“ noch drei Zugaben spielen und verabschiedete sich mit einem ehrlichen Dankeschön für diesen „beautiful Monday“. chos
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen