: Puten und Eier vom Tisch
In mindestens acht Bremer Kitas kam Bioputenfleisch auf den Tisch, das möglicherweise mit Nitrofen verseucht gewesen sein könnte. Belastete Eier wurden schon aus den Supermärkten geholt
Das „Worst Case“–Szenario im Gesundheitsressort sah bis gestern früh noch so aus: Rund 160 Kinder könnten insgesamt viermal möglicherweise mit Nitrofen verseuchtes Putenfleisch gegessen haben (à 0,5 Milligramm Nitrofen). Mittags allerdings wurde der worst case noch mal korrigiert: Ein Fax der Firma „Raab Biofleischwaren“ bestätigte weitere Lieferungen von 350 Kilo in die Hansestadt seit Januar 2002. Statt drei Bremer Kitas könnten jetzt acht von dem Lebensmittel-Skandal betroffen sein. Und damit 312 weitere Kinder.
Was das genau bedeutet, ist offen. Eine „relevante Gesundheitsgefährdung“ sieht man ob der hochgerechneten Dosis im Bremer Gesundheitsressort bislang nicht. Eine genauere Gefährdungsanalyse beim Bundesamt für Verbraucherschutz wurde dennoch in Auftrag gegeben. Genauso wie eine Probe aus einer der Kitas eingereicht wurde, die klären soll, ob die Lieferungen nach Bremen tatsächlich mit Nitrofen belastet waren. Mit Ergebnissen wird frühestens heute Nachmittag gerechnet.
Sicher ist aber, dass das Gift auf jeden Fall in Bio-Eiern steckte. Von sechs Eierpackungen wurden vier in Bremen positiv auf Nitrofen getestet und die Supermarktregale vergangene Woche von den Biopackungen geräumt.
Entsprechend groß ist die Aufregung: Bei der Bremer Verbraucherzentrale klingeln pausenlos die Telefone, in den betroffenen Kitas stehen Infoabende für die Eltern an – und Fernsehteams vor der Tür. Selbst durch den Zaun seien die Kameramänner gekrochen, klagt Anne Knauf von der Kita Andernacher Straße. Dabei hat ausgerechnet ihre Kita das Putenfleisch nur ein einziges Mal getestet. „Unser Koch rauft sich jetzt noch die Haare deswegen.“
Als erste Konsequenz wurde Putenfleisch vom Speiseplan der meisten Kitas verbannt. Als nächstes könnten Klagen drohen. Die Bremisch Evangelische Kirche (BEK) als Trägerin von fünf der betroffenen Kitas prüft bereits rechtliche Schritte. „Wir sind im Grunde zu Opfern der Lieferpolitik geworden“, so Christine Schorr. Denn klar ist, dass es bereits seit Februar Hinweise auf Nitrofen beim Ökobetrieb „Grüne Wiese“ bei Cloppenburg gegeben hat. Trotzdem wurde das verseuchte Fleisch noch in acht Bundesländer – darunter knapp 600 Kilo nach Bremen – geliefert.
„Da wurde kräftig verschwiegen“, kritisiert die Verbraucherzentrale. Sie fordert eine Meldepflicht auch bei privaten Firmen nach jeder Kontrolluntersuchung. Auch Karin Mathes von den Bremer Grünen fordert eine Verbesserung des Verbraucherschutzes. Dass das Gift aber ausgerechnet in Bioprodukten steckt, dürfe nicht dazu führen, „die gesamte ökologische Landwirtschaft in Frage zu stellen“. Dorothee Krumpipe
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