: New Kid on The Block
Der Verfassungsschutz will sich künftig transparenter geben. Am Dienstag war Premiere. Das Berliner Landesamt lud zu Workshop und Diskussion über rechtsextreme Musik: Old News in neuem Format
von HEIKE KLEFFNER
Mehr Transparenz, verstärkte Politikberatung und effektive Öffentlichkeitsarbeit. Diese drei Prämissen seien für die Neustrukturierung des Berliner Verfassungsschutzes maßgeblich, sagt Leiterin Claudia Schmiz. Dann präsentiert sie auf dem gestrigen Verfassungsschutz-Workshop die Uraufführung dieser neuen Leitlinien. Das Thema: rechtsextremistische Musik.
Großflächige Farbklecksgemälde und ein Overheadprojektor präsentieren den Anschluss an die Moderne. Passend zur Premierenstimmung auch die Kleidung des Publikums aus der Zivilgesellschaft und den Ämtern. Bei den Herren dominieren schwarze Stoffhosen, weiße Hemden und dezent gemusterte Jacketts, die mehr oder weniger breite Schultern verhüllen. Die wenigen Damen glänzen mit extravaganten Roben – inklusive schwarzer Fransenstola und schwerem Schmuck. Es sind überwiegend grauweiße Haarschöpfe, die dem ersten Redner – einem Fachreferatsleiter des Verfassungsschutzes – erwartungsvoll lauschen. Schließlich verspricht der Untertitel des Workshops Anworten auf die Fragen nach Intention, Wirkung und finanziellen Hintergründen rings um den millionenschweren Markt „Rechtsrock“.
Doch der Referent beschränkt sich darauf, eine halbe Stunde lang den jüngsten Bericht der Abteilung und die Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der PDS-Abgeordneten Ulla Jelpke über den Erfolg bzw. Misserfolg des Verbots des Neonazinetzwerkes Blood & Honour (B & H) vorzutragen. Dass Verfassungsschutzämter und Innenbehörden jahrelang von einigen wenigen hartnäckigen Abgeordneten und antifaschistischen Initiativen gezwungen wurden, sich überhaupt zu dem Thema zu äußern, erwähnt er nicht. Auch nicht, dass die Berliner B & H-Sektion fast ein Jahrzehnt lang ungestört quer durch die Republik zur Durchführung härtester Neonazi-Großevents und der Etablierung einer in manchen Regionen mehr als erschreckend dominanten rechten Jugendkultur beitragen konnte. Die wenigen Zuhörer unter 35 seufzen jedenfalls schon erleichtert, als er die Zahl rechtsextremer Skinheadbands in Berlin mit zehn und die einschlägiger Ladengeschäfte mit fünf halbwegs korrekt wiedergibt.
Spannender wird es in dem stickigen Raum erst, als Klaus Farin, Leiter des nichtstaatlichen Archivs der Jugendkulturen, dem Verfassungsschutz Etikettenschwindel vorwirft. Der habe aus überwiegend unpolitischer Oi-Musik rundweg rechten Skinrock gemacht. Die Kultbands der extremen Rechten seien zudem keineswegs immer Skinheads, sagt Farin und erinnert an die wegen ihrer mörderischen Texte und eines konspirativen Habitus als Kultgruppe gehandelte Berliner Neonaziband „Landser“, deren Mitglieder allesamt aus dem Neonazirockermilieu der „Vandalen“ kommen.
Not amused sind die Damen und Herren vom Fach auch bei Farins Forderung, anstelle von Verboten auf besser ausgebildete Pädagogen, eine fundierte Familienpolitik und eine Auseinandersetzung mit dem Rassismus der Mitte zu setzen. Nachdem Claudia Schmiz fast flehentlich angemerkt hat, dass mit Verboten zumindestens die jugendliche Sympathisanten vom Besuch neonazistischer Konzerte abgehalten werden könnten, mischt sich auch Oberstaatsanwalt Jürgen Heinke, Leiter der Abteilung Politische Straftaten, in die Debatte ein. Am Beispiel von Drogen sehe man, dass Aufklärung nichts nütze – man müsse nur auf die Love Parade gehen.
Dass, wie von anderen Referenten vorgetragen, Repressionsdruck mehr oder minder erfolgreich sein kann – schließlich steigen die Preise für indiziierte CDs nach Razzien um ein Vielfaches – und dass die mit dem Musikbereich verbundenen Konzerte ein wichtiges Element einer rechten Erlebniswelt darstellen, ist irgendwie auch keine brandneue Erkenntnis mehr. Aber immerhin können sich die Sammler befreundeter Ämter über ein paar brandneu vom LKA beschlagnahmte CDs mit einschlägigen Titelbildern freuen, die zur Ansicht im Publikum umhergereicht werden.
Am Schluss sagt ein Medienschaffender ermattet: „Wenn ich wirklich was über neue Entwicklungen im Bereich Rechtsextremismus wissen will, bleibt wohl auch in Zukunft nichts anderes übrig, als zum LKA oder zu unabhängigen Antifa-Initiativen zu gehen.“
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