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„Im tiefsten Herzen betroffen“

Susanne Thaler, FDP-Ortsverbandsvorsitzende in Berlin-Dahlem, tritt wegen der Möllemann-Affäre aus der Partei aus

„Man wird ja wohl noch Israel kritisieren können.“ Diesen Satz hat Susanne Thaler in den letzten Tagen allzu oft gehört – auch von ihren Parteifreunden in der FDP. Die 64-Jährige leitet den Ortsverband Dahlem der liberalen Partei, steht bürgerlichen, politisch engagierten Menschen vor, die es sich leisten können, in dieser Villengegend Berlins zu wohnen. In einem Brief an 2.800 FDP-Mitglieder protestierte sie kürzlich gegen die Äußerungen ihres stellvertretenden Parteichefs auf Bundesebene, Jürgen W. Möllemanns, die sie als antisemitisch empfand. Als Antwort signalisierten nicht wenige ihrer Parteifreunde aber wider Erwarten Zustimmung zu Möllemanns schillernden Sätzen. Susanne Thaler, lange im Bundesvorstand und im Berliner Landesvorstand der FDP aktiv, war entsetzt.

Und das hat auch etwas mit ihrer Biografie zu tun: Susanne Thaler emigrierte mit ihrer jüdischen Familie 1938 aus Nazideutschland. Ihr Vater und ihr Bruder überlebten, in Amsterdam untergetaucht, die Nazizeit. Mit ihrer Mutter, der Schauspielerin Camilla Spira, wurde sie 1943 ins Konzentrationslager Westerbork verschleppt. Nur weil es der Mutter gelang, falsche Papiere zu erhalten, die sie als „Arierin“ auswiesen, kamen sie aus dem KZ. Als Kind aus einer scheinbaren „Mischehe“ wurde sie nicht mehr verfolgt.

Als Susanne Thaler 1983 der FDP beitrat, tat dies die Wirtschaftskorrespondentin, weil sie liberalen Ideen „sowieso nahe stand“, ihr „ideologisch geprägte“ Parteien nicht zusagten und sie von anderen Liberalen in der Stadt überzeugt wurde, dass man nur in einer Partei politisch etwas erreichen könne. Schon in diesen früheren Jahren habe sie sich an antisemitischen Schriften gestoßen, die sie im Büro des damaligen Bildungsministers Möllemann habe rumliegen sehen: „Ich habe das für mich übersehen“, sagt sie selbstkritisch. Als nun aber der Münsteraner Provokateur im November anfing, der israelischen Regierung Staatsterrorismus zu unterstellen und sein Protegé Jamal Karsli gar von „Nazimethoden“ sprach, witterte sie erneut Antisemitismus. Die Äußerungen Möllemanns, wonach der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschand, Michel Friedman, durch sein Auftreten Antisemitismus schüre, brachten das Fass zum Überlaufen: Sie entschloss sich, aus der FDP auszutreten, in der sie zum rechten Flügel gezählt wurde.

Die Publizistin und Mitinitiatorin des im Bau befindlichen Holocaust-Mahnmals südlich des Brandenburger Tors, Lea Rosh, ist mit der prominenten Altliberalen seit ein paar Jahren befreundet – zusammen betreiben sie alle vier Wochen einen Berliner Salon. Lea Rosh lobt Susanne Thaler als „sehr glaubwürdig und konsequent“: „Sie redet nicht nur, sie macht.“ Ihre Freundin sei „im tiefsten Herzen betroffen“ darüber, was hierzulande gerade geschehe: „Die Sorge um Deutschland teilt Susanne.“

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde der Hauptstadt, Alexander Brenner, hat die Liberale gebeten, auf der gestrigen Demonstration vor der FDP-Zentrale in Berlin-Mitte zu sprechen.

Susanne Thaler sieht den Antisemitismus tief verwurzelt in der bundesdeutschen Gesellschaft. Möllemann wisse gar nicht, welchen Flächenbrand er mit seinen Aussagen auslösen könne. Die Entwicklung der FDP mache ihr Angst: „Ich habe schlaflose Nächte.“

PHILIPP GESSLER

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