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Neu entdecktes Krebsrisiko

Studie: Chips und Cornflakes enthalten hohe Konzentrationen von Acrylamid

BERLIN/STOCKHOLM taz ■ Wer jeden Tag Pommes oder Chips isst, hat gute Chancen nicht nur dick, sondern auch krank zu werden. Beide Produkte enthalten hohe Konzentrationen Acrylamid, das die International Agency for Research on Cancer als „wahrscheinlich Krebs erregend“ einstuft. Das ist das Ergebnis einer schwedischen Studie, die jetzt auch von britischen, niederländischen, deutschen und schweizerischen Instituten im Grundsatz bestätigt wurde. Solange man sich „vielseitig ernähre“, bestehe aber keine große Gefahr, erklärte die Vizechefin des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz (BgVV), Ursula Gundert-Remy, gestern. Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) warnte vehement davor, einen neuen Lebensmittelskandal herbeizureden. Es handle sich um „Tatsachen, die seit Jahrzehnten bekannt sind“. Gundert-Remy sagte, weder sei „etwas Verbotenes gemacht worden“, noch könne „von Schlamperei die Rede“ sein.

Trotz der beruhigenden Worte an die Verbraucher waren die Experten allerdings schon nach der Veröffentlichung der schwedischen Studie Ende April alarmiert über die konkrete Höhe der Belastung. Nicht nur nationale Gesundheitsbehörden, sondern auch die EU, die Weltgesundheitsorganisation WHO und die UN-Lebensmittelbehörde FAO kündigten eigene Untersuchungen an. Acrylamid wird zur Herstellung von Kunststoff verwandt, ist also auch in Verpackungen zu finden. Bisherige Studien etwa des Max-Planck-Instituts zeigen aber, dass eine Wanderung des Monomers in die Lebensmittel die vorgefundenen Konzentrationen nicht erklären würde. Offenbar bildet es sich während der Zubereitung in diesen selbst – vor allem wenn Kohlehydrate schockartig erhitzt werden. Die Experten wollen nun nach ungefährlicheren Produktionsmethoden suchen, aber auch ganz konkrete Verzehrmengen-Empfehlungen erarbeiten. So lasse sich die Gefahr um den Faktor 5 bis 6 verringern, wenn man die entsprechenden Lebensmittel nur einmal wöchentlich statt täglich zu sich nehme, heißt es im BgVV.

Die Stockholmer Wissenschaftler fanden in stärkehaltigen gebratenen, gebackenen, gerösteten oder frittierten Lebensmitteln bis zu 2.000 Mikrogramm Acrylamid pro Kilogramm. Am höchsten belastet waren neben Pommes und Chips Knäckebrot und Frühstückszerealien. Am wenigsten Acrylamid fand sich in gekochten oder bei mäßiger Hitze gebackenen oder gebratenen Gerichten wie Pizza oder Gemüsegratins.

„In meinen 30 Jahren in dieser Branche hatte ich noch nie mit einem Alarm mit solcher Substanz zu tun“, schätzte Leif Busk, Chef der Forschungsabteilung des alarmierenden schwedischen Lebensmittelbehörde. Der Grenzwert der WHO für Acrylamid in Trinkwasser liegt bei 1 Mikrogramm pro Tag und ist demnach nach dem Genuss von 2 Gramm Pommes oder einem halben Gramm Kartoffelchips erreicht. REINHARD WOLFF

www.bgvv.de www.slv.se/Download/Document/approvedDocs/enginformationakryl.htm

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