Schlimmer Finger vor Gericht

Amtsgericht erlegt Demonstranten Geldbuße auf, der einem Polizisten den Stinkefinger zeigte. Der Beamte hatte am Rande eines Naziaufmarsches AntifaschistInnen gefilmt

Es ist der 8. Juli 2000, Neonazis marschieren durch Altona. Der ganze Stadtteil ist in Aufruhr und Jochen G. voller Wut. Nicht nur, dass RechtsextremistInnen Propaganda betreiben „für eine Ideologie, die letztendlich für eine Vielzahl von Menschen Verfolgung und Tod bedeutet“. Auch weil sein Wohnort von der Polizei beherrscht wird und „deren Haltung eindeutig gegen mich und Bewohner des Viertels gerichtet ist“. Als er schließlich noch bemerkt, dass eine Polizeikamera auf ihn weist, ist es genug. Er herrscht den Polizisten an, und als der auf den Auslöser drückt, hält ihm Jochen G. den Stinkefinger vor. Dafür muss er nun eine Geldbuße von 400 Euro zahlen.

Vor dem Altonaer Amtsgericht sagt Jochen G., er habe sich in seinem Demonstrations- und Persönlichkeitsrecht verletzt gefühlt. Laut Rechtsanwalt Dieter Magsam standen die DemonstrantInnen unter dem „uneingeschränkten Schutz des Versammlungsgesetzes“ . Von ihnen sei keine Gefahr für die „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ ausgegangen. Ergo habe die Polizei sie nicht filmen dürfen. Ergo habe Jochen G. von seinem Notwehrrecht Gebrauch gemacht, als er sich nonverbal wehrte.

Für Magsam steht die grundsätzliche Frage zur Entscheidung an, inwieweit Polizisten auf Demonstrationen überhaupt filmen dürfen. Denn das Vermummungsverbot sei mit dem Argument eingeführt worden, dass ohnehin nur „gewalttätige“ Demonstranten identifiziert und andere von Polizeikameras unbehelligt bleiben würden.

Für den Staatsanwalt hingegen ist die Rechtsfrage durch die Erfahrungen der Vergangenheit entschieden. Bei vorausgegangenen Neonazi-Aufmärschen sei es zu Ausschreitungen gekommen, also habe auch in Altona diese Gefahr bestanden.

Der Richter schließlich lässt offen, ob das Fotografieren friedlicher DemonstrantInnen rechtmäßig oder unerlaubt war. Denn ein Notwehrrecht, den Polizeibeamten durch diese „vulgäre Form der Missachtung“ zu beleidigen, habe Jochen G. nicht gehabt. „Was bleibt in einer solchen Situation zu tun?“, fragt der Richter selbst. Und verweist auf den Rechtsstaat, in dem „Ihnen in solchen Situationen nichts anderes übrig bleibt, als den Rechtsweg zu beschreiten“.

Das wird Jochen G. nun zumindest hinsichtlich seines Urteils tun: Sein Anwalt legt Rechtsmittel ein. ELKE SPANNER