piwik no script img

Vorgeschmack auf den Streik am Bau

Vor der Urabstimmung: 40.000 Bauarbeiter lassen Arbeit ruhen. Schröder will sich kümmern, stößt aber auf Skepsis

BERLIN taz ■ Auf den Baustellen rumort es. Für zweieinhalb Stunden legten gestern mehr als 40.000 Bauarbeiter über die ganze Republik verteilt die Arbeit nieder. Ein Vorgeschmack auf den unbefristeten flächendeckenden Streik, über den die Gewerkschaft IG BAU am Montag urabstimmen lassen will, wenn sich die Arbeitgebervertreter nach den gescheiterten Schlichtungsbemühungen nicht wieder zu Gesprächen bereit zeigen. Die Aktion erzeugte zumindest Bewegung. In Sachsen und Sachsen-Anhalt kamen Arbeitgeber zusammen, um über ihr weiteres Vorgehen zu verhandeln.

Unter den Bauunternehmern, die sich am Vortag zum Tag der Deutschen Bauindustrie in Berlin getroffen hatten, war der Streik nur ein eher beigeordnetes Thema gewesen. Mit mehr Aufmerksamkeit, aber auch skeptisch, wurde das Gesprächsangebot von Bundeskanzler Gerhard Schröder betrachtet, der sich mit seinem missglückten Versuch, den Baukonzern Holzmann mit staatlicher Hilfe zu retten, beim Rest der Branche unbeliebt gemacht hatte. Am Donnerstagabend erklärte Schröder: „Ich habe großes Interesse daran, mich auch in Zukunft neben den entsprechenden Ministern selbst um die Branche zu kümmern.“

Das Jahr 2002 läuft für die seit acht Jahren in der Rezession steckende Baubranche noch schlechter als ohnehin erwartet. Der Umsatz ist im ersten Quartal um 8,3 Prozent gesunken, die Zahl der Beschäftigten sogar um 9,5 Prozent, so dass sie mit 850.000 erstmals seit 1990 wieder unter 900.000 liegt.

Rund 6.000 Pleiten kleiner und mittlerer Betriebe befürchtet Thomas Bauer, Vizechef des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, allein für dieses Jahr. Branchenführer Hochtief allerdings verzeichnete im gleichen Zeitraum 11 Prozent mehr Umsatz und 21 Prozent mehr Aufträge.

Angesichts der Probleme in der Baubranche zeigen sich auch die Fachpolitiker relativ hilflos. Auf einer Podiumsrunde demonstrierten Vertreter aller Parteien zwar Problembewusstsein, präsentierten aber kaum konkrete Rezepte. „Das Dilemma des Mittelstands“, so Rolf Kutzmutz (PDS), sei, dass er sich hauptsächlich im privaten Wohnungsneubau engagiere – „und allein in Ostdeutschland haben wir bereits jetzt einen Leerstand von einer Million Wohnungen“. Einig waren sich die Diskutanten nur, dass die Schwarzarbeit bekämpft werden müsse und die Reform der Gemeindefinanzierung vordringlich sei. BEATE WILLMS

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen