Mehr Politik statt schriller Outfits

Über 150.000 auf Hamburgs Schwulen- und Lesbenparade CSD. Senat wegen Rotstiftpolitik bei schwullesbischen Projekten und bei der Aids-Bekämpfung im Kreuzfeuer der Kritik. SPD und GAL nutzen die Gunst der Opposition und tanzen für Rot-Grün

von KAI VON APPEN

Eine deutliche Manifestation gegen den Ausgrenzungssenat: Über 150.000 Menschen nahmen am Samstag an der traditionellen Schwulen- und Lesben-Parade zum Christopher Street Day (CSD) teil, um gegen die Benachteiligung und Diskriminierung von Homosexuellen zu protestieren. Und gegen die aktuellen Sparmaßnahmen des Rechtssenats in diesem Bereich. „Wer in Hamburg kürzen will, der fängt an bei Beust und Schill“, so die zentrale Botschaft. Über Stunden wälzt sich der Kilometer lange Treck aus mehr als 40 Trucks und rollenden Bühnen durch die City zum Jungfernstieg, wo das Abschlussfest stattfindet.

Anders als in den vorigen Jahren beherrschen aber nicht skurrile und schrille Outfits oder provokatives Knutschen zwischen gleichgeschlechtlichen Pärchen die Szenerie der Parade. Transvestiten in Stöckelschuhen oder auf Super-Plateaus, Hardcore-Gays in enger Lederkluft, Hardcore-Lesben in Uniform mit Handschellen, knappe Lackdessous, Netzstrümpfe und Sado-Maso-Utensilien sind in der Minderheit. Im Tross herrscht über Strecken eher gedämpfte Stimmung, die nur durch die Musik von den Trucks à la ABBAs „Dancing Queen“ oder Marianne Rosenbergs „Du gehörst zu mir“ übertüncht wird. „Akzeptanz statt nur Toleranz“ lautet die Forderung. „Noch nie war der CSD in Hamburg so hochpolitisch und kämpferisch“, so das Resümee von CSD-Pressesprecher Oliver Stein.

Dafür hatte der Rechtssenat gesorgt. Obwohl Hamburg früher als Vorreiter für die Akzeptanz homosexueller Beziehungen galt – nicht zuletzt wegen der Einführung der „Homo-Ehe“ durch Rot-Grün – kehrt Schwarz-Schill zur altbekannten Abgrenzung zurück und setzt den Rotstift an: bei Schwulen- und Lesbenprojekten ebenso wie in der Aids-Prävention und -bekämpfung. Das hatte den Unmut in der schwullesbischen Community ausgelöst.

Als Reaktion verzichteten die Veranstalter darauf, CDU-Bürgermeister Ole von Beust wie zuvor dessen Vorgänger Ortwin Runde (SPD) die Schirmherrschaft anzutragen. Im Gegenzug sagte der Rechtssenat den Empfang für die CSD-HelferInnen ab und verbot die Beflaggung öffentlicher Gebäude mit dem Regenbogenbanner.

Die anderen politischen Parteien nutzten den Krach, um sich bei der CSD-Parade an die Spitze zu setzen. So führte der rote Doppeldecker der SPD-Schwusos „für Schröder“ die Parade an und attackierte die CSU in Sachen Homo-Ehe: „Bayerns Rechte verweigern uns die Rechte – nicht mit uns, Edmund.“ Auch die GAL präsentierte sich an exponierter Stelle gleich mit zwei Gefährten, auf denen Grünen-Chefin Claudia Roth im Dirndl für Rot-Grün tanzte.