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Wie ein schlechter Film

Sechs Gründe, warum nicht nur heute im Spiel des deutschen Teams gegen Kamerun, sondern auch im gesamten weiteren WM-Verlauf zwar nicht das Gute, aber immerhin DER Gute gewinnen wird

aus Shizuoka FRANK KETTERER

Es geht um alles. Oder doch darum, zumindest die größte Blamage zu verhindern und wenigstens ins Achtelfinale einzuziehen bei dieser Fußball-Weltmeisterschaft. Die taz nennt die Gründe, warum heute Mittag (13.30 Uhr) gegen Kamerun und Winfried Schäfer nichts schief gehen kann und für Rudi und sein Team das Turnier am 15. Juni in Südkorea mit dem Achtelfinale weitergeht.

1. Deutschland ist eine Turniermannschaft. Sagt man zumindest und soll heißen: Rudis wackere Recken werden sich nun von Spiel zu Spiel steigern und damit gegen Kamerun beginnen. „Alles läuft relativ konfliktfrei“, sagt beispielsweise Marco Bode – und natürlich ist eine solche Harmonie die Grundvoraussetzung einer jeden Turniermannschaft. Außerdem ist Bode davon überzeugt, „dass ein positives Erlebnis gegen Kamerun der Mannschaft noch mal einen Schub gibt.“ Was selbst laut dem Mann aus Bremen dazu führen könnte, „dass man in drei Wochen vielleicht davon spricht, dass wir eine Turniermannschaft sind“. Was Bode damit meint? Schlagen Sie das bitte in der Fußballgeschichte unter den Jahren 1954, 1974 und 1990 nach.

2. Rudi ist Teamchef: Uns Rudi, dieser „Rudi Riese“ mit dem Grinsekatzengesicht, ist der Gutmensch des deutschen Fußballs. Trinkt nicht, kokst nicht, spielt nicht die beleidigte Leberwurst – und allein dass er diesen Scheißjob überhaupt angenommen hat, beweist, dass er charakterlich und menschlich ein durch und durch feiner Kerl ist. Außerdem ist Rudi selbstlos bis zum Erbrechen, was sich schon daran zeigt, dass er es im Moment nicht nur „zweitrangig, sondern drittrangig“ findet, was mit ihm im Falle eines Vorrundenscheiterns passieren würde. Aber das wird ja auch nicht eintreten, denn da ist diese WM wie ein schlechter Film: Am Ende gewinnt der Gute – und das ist nun mal Rudi.

3. Deutschlands Geschichte: Natürlich ist damit ausschließlich die sportliche gemeint, besonders jene bei Fußball-Weltmeisterschaften. Und dabei ist Deutschland noch nie, wiederhole: noch nie in der Vorrunde ausgeschieden. Selbst vor vier Jahren unter Berti Vogts reichte es zum Viertelfinale; das schaffen Rudi und seine tapferen Kicker allemal. Zumal die Geschichte ja nicht nur für Deutschland, sondern auch noch gegen Kamerun spricht: Die Afrikaner sind genau einmal bis ins Viertelfinale gekommen, 1990 war das, damals noch mit Roger Milla. Ansonsten: 1982 – Vorrunde raus; 1994 – Vorrunde raus; 1998 – Vorrunde raus. Und Weltmeister war Kamerun auch noch nicht. Wie, bitte schön, soll eine so traditionslose Mannschaft die Kicker aus dem Land des dreifachen Weltmeisters schlagen?

4. Die deutschen Tugenden: Vielleicht ist der gemeine Germane nicht der allergeschickteste am Ball, genau genommen war er das ja noch nie. Aber: Er kann kämpfen und rennen und fighten und laufen – und schließlich ist Fußball immer noch ein Lauf- und Kampfspiel – oder etwa nicht? Und hat nicht Gary Lineker den größten aller Fußballsätze gesagt, der da heißt: „Fußball ist ein Spiel für 22 Leute, und am Ende gewinnen immer die Deutschen.“ Was, bitte schön, wollen die Kameruner denn diesen Tugenden entgegensetzen? Ihr Hacke, Spitze und Tütü hier und Tütü da?

5. Saudi-Arabien: Man hat es ja schon bei dieser WM gesehen, man muss da nur diesen Gegner nennen: Saudi-Arabien. Die Deutschen: haben die Saudis weggeputzt mit Fußball der Marke traumhaft. Acht Tore sind einfach so gefallen; wenn Kamerun dermaßen hoch gegen die Wüstensöhne gewinnen sollte, würden die heute noch spielen, nur deshalb haben sie es ja bei ihrem jämmerlich mühevollen 1:0 belassen. Und auch der Vergleich mit dem zweiten Gruppengegner spricht klar für Deutschland, diesmal für die überragende Defensive um Carsten Ramelow. Während Kamerun gegen die Iren zwei Treffer kassierte und dabei natürlich Glück hatte, nicht noch weitere zu fangen, ließen Rudis Fußballriesen genau ein einziges Tor zu – und selbst das fiel erst zu einer Zeit, als der Schiedsrichter eigentlich schon hätte abgepfiffen haben müssen.

6. Winfried Schäfer: Wenn das heutige Duell gegen Kamerun bis zu diesem Punkt auch nur einen Hauch von offen wäre, dann würde es sich jetzt entscheiden. Denn, sorry liebe Fußballfreunde aus Afrika: Aber wer sucht sich denn heutzutage seinen Trainer nach der Haarpracht aus? Wer achtet darauf, dass der Typ eine Löwenmähne hat, nur weil sich die Kicker, die er trainieren soll, für „unzähmbare Löwen“ halten? Sollte man da nicht lieber die Wahrheit als Einstellungskriterium nehmen, die da bei Schäfer bitter ist und heißt: rausgeflogen wegen permanenter Erfolglosigkeit beim VfB Stuttgart, rausgeflogen wegen gleicher Leistung bei TeBe Berlin, danach arbeitslos vor dem Telefon in der Ettlinger Villa gehockt und auf einen Anruf gewartet, der dann prompt kam – aus Kamerun. Und jetzt? Jetzt wird Winnie heute Abend auch noch diesen Job los.

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