: „So ist der Peter eben“
Am Sonntag will Peter Strieder auf dem SPD-Parteitag wieder zum Vorsitzenden gewählt werden. Einen Gegenkandidaten gibt es nicht – Strieder kann sich wieder einmal nur selbst ein Bein stellen
von ROBIN ALEXANDER
Am kommenden Wochenende wählt die SPD ihren Landesvorsitzenden. Ein Gegenkandidat zum Amtsinhaber ist nicht in Sicht. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Wiederwahl. Bedenkt man zudem, dass die SPD bei der vergangenen Wahl zum Abgeordnetenhaus über sechs Prozentpunkte zulegte und den Posten des Regierenden Bürgermeisters eroberte, könnte es scheinen, die Bestätigung eines so erfolgreichen Parteichefs sei eine reine Formsache. Aber der Vorsitzende der Berliner SPD heißt Peter Strieder.
An ganz unterschiedlichen Ecken des extrem heterogenen Berliner Landesverbands schimpft man nicht mehr nur unter der Hand über Strieder. In einem internen Papier des linken Donnerstagskreises heißt es schon explizit über Strieder und seine vier Stellvertreter: „Dieser Geschäftsführende Landessvorstand ist nicht zukunftsfähig.“ Diese Schärfe im Ton teilen in der Partei nur wenige, den Unmut über Strieder mehr.
Wo liegt das Problem? Der 50-jährige gebürtige Nürnberger ist als „Supersenator“ für Bauen, Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr und als oberster Sozialdemokrat omnipräsent. Aber Strieders Machtfülle ist es nicht, woran sich so viele Genossen stoßen, und seine Politik auch nicht. Der Ärger resultiert weniger aus dem, was Strieder tut, als wie er es tut. Eine Szene vom Abend, als Strieder bei der Wahl zum Senator im ersten Wahlgang durchfiel: Die Reporterfrage nach den Gründen beantwortet einer, der lange mit Strieder zusammenarbeitete, mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den fröhlich Rotwein trinkenden Senator: „Gucken Sie ihn sich doch an.“ Von Demut oder nur Nachdenklichkeit keine Spur. Strieder ist vielen Sozialdemokraten einfach zu forsch, zu unsensibel, zu offensichtlich überzeugt von sich selbst.
Dazu kommen neue Probleme: Die rigide Sparpolitik des Klaus Wowereit tragen viele Sozialdemokraten nur mit Bauchschmerzen mit. Den Regierenden anzugreifen gilt jedoch als illoyal. Viel Ärger über Wowereit und seinen Finanzsenator entlädt sich bei Strieder. Als Wahlkämpfer ist er zudem im Dilemma: Die Wiederentdeckung der sozialen Wärme im Bundestagswahlkampf passt nicht zum kalten Sparen, das die SPD für Berlin als alternativlos propagiert.
Durchschnittspolitiker würden versuchen, so eine unbequeme Situation auszusitzen. Nicht so Strieder: Er legt selbst noch einen Scheit in das Feuer, auf dem er selbst sitzt. Sein Papier „Die Berliner SPD auf dem Weg zur Hauptstadt-Partei“, fordert von der Partei Reformen, die vielen als Zumutung erscheinen. Unter anderem möchte Strieder die Kandidaten fürs Abgeordnetenhaus in Zukunft über eine Landesliste statt wie bisher über Bezirkslisten nominieren. Auch stellt das Papier die heute sehr autonom arbeitenden Kreisbüros zur Disposition. „Kampagnenfähig“ soll die Partei gemacht werden – und gesteuert werden die Kampagnen allein vom Landesverband. Diese Vorschläge, die Bezirksebene innerparteilich zu schwächen, werden in einer Zeit präsentiert, in der die Bezirkspolitiker sowieso auf dem Zahnfleisch gehen, da sie die vom Senat beschlossenen Einsparungen an den empörten Bürger weiterreichen müssen.
Zum inhaltlichen Ärger kommt – typisch Strieder – auch in diesem Fall der Unmut über die Art, in diesem Fall der Präsentation der Vorschläge. Das Strieder-Papier wurde der Partei per Pressekonferenz quasi vor den Latz geknallt, im geschäftsführenden Landesvorstand musste der Vorsitzende erst überredet werden, seine Thesen „wenigstens innerhalb einer gewissen Funktionärskaste“ schon vor der Veröffentlichung zu kommunizieren. Der Text selbst ist zudem extrem kritisch gegenüber der Partei („Hand-aufhalte-Partei“), nicht jedoch gegenüber der Parteiführung. Für Unmut auch unter reformwilligen Sozialdemokraten sorgt zudem, dass auf die strukturelle Schwäche der Partei in Ostberlin nur am Rande eingegangen wird.
So viel Unmut schlug Strieder nach Veröffentlichung seines Papiers entgegen, dass er nun zurückrudert. Zur Abstimmung werden die Thesen am Sonntag nicht gestellt, Anträge gegen das Papier sollen an eine Arbeitsgruppe überwiesen werden, um offenen Dissens zu vermeiden. Bleibt die Frage: Warum hat Strieder mit seiner Provokation nicht bis nach seiner Wiederwahl gewartet? Die Antwort, die man bei Freund und Feind gleichermaßen bekommt: Der kann nicht anders. Selbst enge Vertraute möchten manchmal fast an diesem Zug des Vorsitzenden verzweifeln. „Er ist nun mal nicht der Typ. der mit seinem persönlichen Auftreten die Emotionalität der ganzen Partei abdecken kann“, formuliert Andreas Matthae, junger Strieder-Stellvertreter.
Sein offensives Naturell könnte Strieder zum Verhängnis werden. Mancher der Vielen, die Strieder in langen Parteijahren ausmanövriert hat, sucht jetzt die schwierige Lage gegen den Vorsitzenden zu wenden. Ralf Hillenberg, jüngst auf Strieder-Initiative als Kreisvorsitzender von Pankow geschasst, wirbt recht unverhohlen, Strieder auf dem Parteitag einen Denkzettel zu verpassen. Andere warnen: „Gar nicht erst mit Remmidemmi anfangen!“, „nicht mit dem Feuer spielen!“ und andere Geschlossenheitsparolen werden ausgegeben. Matthae, der Strieder gut kennt, erinnert an dessen Patzer bei der Senatswahl und warnt: „Einen zweiten Wahlgang würde es diesmal nicht geben“.
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