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Massaker – präsentiert von PDS

Der irische Dokumentarfilmer Jamie Doran führt in Berlin erstmals sein Material über Massenerschießungen gefangener Taliban-Kämpfer in Afghanistan vor – aber das ausgerechnet mit Unterstützung der selbst ernannten Friedenspartei PDS

aus Berlin JENS KÖNIG

Der Film ist brisant – genauso wie seine öffentliche Präsentation. Der international renommierte irische Dokumentarfilmer Jamie Doran war seit November vorigen Jahres dreimal in Afghanistan und ist von dort mit aufsehenerregendem Material zurückgekehrt. Sein Film „Massacre at Mazar“ berichtet von angeblichen Morden an mehreren tausend gefangenen Taliban-Kämpfern in der Nähe der nordafghanischen Stadt Masar-i Scharif. In verschiedenen Fällen, so behaupten insgesamt sechs afghanische Augenzeugen, sollen an diesen Massenerschießungen Soldaten der US-Streitkräfte beteiligt gewesen sein.

Der Dokumentarfilm ist noch nicht fertig geschnitten. Aber Jamie Doran ist das Material so wichtig und seine Befürchtung, in Afghanistan könnten Beweise für das Massaker verwischt werden, so groß, dass er den Film am Mittwoch in Berlin zum ersten Mal in einer Rohfassung zeigte – und das ausgerechnet mit Hilfe der PDS. Die als „Welt-Uraufführung“ angekündigte Präsentation des 20-minütigen Filmes fand in den Räumen der PDS-Bundestagsfraktion im Reichstag statt. Geladen waren etwa 20 ausgewählte Journalisten. Die offizielle Premiere sollte gestern Abend im Europaparlament in Straßburg stattfinden.

Es ist zu bezweifeln, ob sich Doran, der sieben Jahre lang für die BBC in London gearbeitet hat und eine eigene Produktionsfirma besitzt, mit der Zusammenarbeit mit der PDS einen Gefallen getan hat. Es könnte ihm leicht der Vorwurf gemacht werden, er lasse sich ausgerechnet von der selbst ernannten Friedenspartei in Deutschland politisch instrumentalisieren. Aber das macht seinen Film nicht unglaubwürdig – und eine schlüssige Erklärung für die Kooperation mit der PDS gibt es auch.

André Brie, einer der entschiedensten Reformer der Partei und heute Abgeordneter im Europaparlament, wollte im Herbst vorigen Jahres nach Afghanistan reisen, um sich mit eigenen Augen ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Er misstraute den offiziellen, „sauberen“ Bildern der Amerikaner. Brie stieß bei seinen Recherchen auf den Dokumentarfilmer Jamie Doran. Die beiden planten eine gemeinsame Reise nach Nordafghanistan. Es war bereits alles organisiert, da wurde Brie die Reise von der Linksfraktion im Europaparlament plötzlich untersagt. Seine Sicherheit in Afghanistan sei nicht gewährleistet, hieß es. Kurz zuvor waren dort mehrere Journalisten ums Leben gekommen. So fuhr Doran allein mit seinem Team. Brie hielt natürlich Kontakt zu dem Filmemacher. Vor zehn Tagen besuchte er ihn in London, sah die Rohfassung des Films und überredete Doran, das brisante Material mit Hilfe der PDS in Berlin zu zeigen.

An diesem Mittwochvormittag sitzt Doran also neben Roland Claus, dem Chef der PDS-Bundestagsfraktion, und Brie. Zur Verstärkung hat Doran aus London Andy McEntee mitgebracht. McEntee ist ein namhafter Völkerrechtsanwalt und ehemaliger Vorsitzender der britischen Sektion von amnesty international. Die beiden machen einen sehr professionellen Eindruck. Doran erzählt, dass es einer der schwierigsten Jobs in seiner Karriere war, die Zeugen aus Afghanistan vor der Kamera zum Reden zu bringen.

Der Filmemacher hält seine Zeugen alle für glaubwürdig. Sie hätten ihm unabhängig voneinander und übereinstimmend von dem Massaker erzählt. Er kenne von allen die Namen. Alle Augenzeugen in seinem Film seien bereit, vor jedem internationalen Gericht auszusagen und ihre Beweise vorzulegen. Wenn sie die Möglichkeit hätten, würden sie auch die amerikanischen Soldaten, die an dem Massaker beteiligt waren, identifizieren.

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