Pisa-Nachtests: OECD greift Böger an

Berlin trägt die Verantwortung für das Scheitern der Nacherhebungen zum bundesweiten Schülervergleich, kontert der Pisa-Koordinator der OECD, Andreas Schleicher. Antrag wurde zu spät gestellt, Tests wurden zu früh abgesagt

Liegt der Grund für das Scheitern der Pisa-Nachtests in Berliner Schulen doch in der hiesigen Schulverwaltung? Hat Schulsenator Klaus Böger (SPD) schlicht zu spät auf Informationen der OECD reagiert und dann die Tests überstürzt abgesagt? Der Pisa-Koordinator der OECD in Paris, Andreas Schleicher, würde all diese Fragen wohl mit einem klaren Ja beantworten. Am Donnerstagabend erhob er schwere Vorwürfe gegen Böger und dessen Hamburger Kollegen, den FPD-Politiker Rudolf Lange. Diese hatten sich zuvor „verbittert und empört“ gezeigt und der OECD die Schuld am Scheitern der Pisa-Nachtests in den beiden Stadtstaaten zugewiesen.

Berlin und Hamburg wollten eigentlich vor den Sommerferien Nachtests für den bundesweiten Pisa-Ländervergleich durchführen, weil sich in den beiden Ländern zu wenige Schüler an der eigentlichen Erhebung im Jahr 2000 beteiligt hatten. Weil die notwendige Zusage der OECD auf sich warten ließ und die Zeit knapp wurde, hatten die beiden Länder die Nachtests in der vergangenen Woche aber abgesagt.

„Die Verantwortung liegt ausschließlich bei den deutschen Behörden“, konterte Schleicher. Diesen sei bereits seit dem Sommer 2000 bekannt gewesen, dass sich in Berlin zu wenige Haupt- und Gesamtschüler an dem Pisa-Ländervergleich beteiligt hätten. Der Antrag zur Genehmigung eines Nachtests aber sei erst am 15. Mai 2002 bei der OECD eingegangen. „Das Problem wäre leicht zu lösen gewesen, wenn der Antrag füher gestellt worden wäre.“

Gar nicht verstehen kann der Pisa-Koordinator, dass Böger und Lange am Abend des 3. Juni die Tests absagten. Zwar habe es Bedenken einiger Mitgliedsländer gegeben. „Aber am Morgen des 3. Juni habe ich die Länder informiert, dass die Genehmigung nur noch wenige Tage benötigen würde“, so Schleicher. Bei den Bedenken habe es sich im Wesentlichen um technische Aspekte gehandelt, die ausgeräumt werden konnten. Am 4. Juni hatte die OECD die Nachtests schließlich genehmigt. Da aber hatten Berlin und Hamburg die Nacherhebungen bereits abgeblasen. „Die ganze Sache“, so Schleicher, „hätte in den deutschen Behörden professioneller bearbeitet werden müssen“.

Bildungssenator Böger wies Schleichers Kritik gestern „ganz deutlich“ zurück und kritisierte erneut die „völlig unklare Informationsweitergabe durch die OECD“. Für eine ordnungsgemäße Nachuntersuchung sei die Zeit abgelaufen, obwohl man die Nachtests bereits um eine Woche verschoben habe, so Bögers Sprecher Thomas John. „Die Vorgaben sind eben sehr streng.“ Zudem betonte John, Berlin sei erst im März von dem Pisa-Koordinator der Kultusminsterkonferenz informiert worden und habe umgehend den Antrag bei der OECD gestellt. SABINE AM ORDE