: Das programmierte Chaos
Gesundheitsausschuss und Bezirks-Gremium beraten über den Plan von Innensenator Schill, die Drogenhilfe in einem Gebäude in St. Georg zu zentralisieren. Anwohner fühlen sich und ihre Interessen vom Senat ignoriert
Von ELKE SPANNER
Morgen Abend wird Klartext geredet. Da wird Gesundheitssenator Peter Rehaag (Schill-Partei) im Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft offenbaren müssen, ob er sich noch für die Drogenhilfe in dieser Stadt zuständig fühlt oder die Verantwortung an die Innenbehörde von Ronald Schill abgegeben hat. „Wir haben den Eindruck, dass Drogenpolitik nur noch nach ordnungspolitischen Gesichtspunkten betrieben wird“, so die gesundheitspolitische Sprecherin der GAL-Fraktion Dorothee Freudenberg. Sie will Rehaag insbesondere zu der von Schill avisierten Zusammenlegung der Fixerstuben „Drob Inn“ und „Fixstern“ mit Junkie-Übernachtungsstätten in einem Gebäude in St. Georg befragen. Dazu wird zudem am Mittwoch das 13er Gremium der Bezirke Altona, Eimsbüttel und Mitte tagen. Denn das hatte gerade beschlossen, dass der„Fixstern“ innerhalb des Schanzenviertels umziehen und neue Räume in der Lagerstraße bekommen soll.
Die Zentralisierung der Drogenhilfe hatte der Innensenator Ende Mai in der Fragestunde der Bürgerschaft angekündigt - und auf Nachfrage eingeräumt, sich nicht mit dem Gesundheitssenator abgesprochen zu haben. Auch Fachleute wurden in die Schill‘schen Pläne nicht mit einbezogen. Und die laufen Sturm gegen das Ansinnen, ein Drogenhilfszentrum im sogenannten „Wüstenrot-Haus“ in der Repsoldstraße hinter dem Hauptbahnhof einzurichten.
Der „Einwohnerverein St. Georg“ bezeichnet die Pläne als „drogenpolitische Katastrophe“. Der Senat „ignoriert nicht nur die Einwohnerinteressen und die Ergebnisse des aufwendigen Mediatorenprogrammes“. Er setze sich auch „über den in vielen Jahren erarbeiteten Konsens aller Stadtteilgremien, Institutionen und Initiativen hinweg“. Zu diesem stünden die Senatspläne in „eklatantem Widerspruch“.
Auch der Geschäftsführer des Fixstern-Trägers freiraum, Norbert Dworsky, greift zum drastischsten Vokabular: „Das ist der helle Wahnsinn“, kommentiert er die Senatspläne. Über 200 Junkies würden zurzeit täglich im Fixstern betreut, zudem rund 200.000 Spritzen im Jahr getauscht. Wenn das wegfalle, so Dworsky, „findet der Konsum wieder im öffentlichen Raum statt“. Der Fixstern biete eindeutig Entlastung für das Schanzenviertel und auch für St. Georg. Dort beklagen sich schon jetzt Anwohner darüber, dass sich die Drogenszene infolge der Repression am Hauptbahnhof wieder mehr auf die umliegenden Wohnstraßen verteilt.
Zudem hätten die Erfahrungen in anderen Städten laut Dworsky gezeigt, dass eine große Drogenhilfseinrichtung, vor der sich naturgemäß die Szene trifft, nicht zu kontrollieren sei - weder durch die Mitarbeiter noch durch die Polizei. „Da ist das Chaos vorprogrammiert.“
Weil Fachleute deshalb schon lange gefordert hatten, statt einzelner großer mehrere kleinere Fixerstuben anzubieten, hatte der alte rot-grüne Senat die Errichtung eines zweiten Gesundheitsraumes in St. Georg geplant. Dafür hatte er im vorigen Jahr schon eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt, in den Haushaltsplan für dieses Jahr war bereits Geld dafür eingeplant. Die potenziellen Betreiber jedoch, die sich um die Trägerschaft beworben hatten, haben inzwischen Schreiben von der Gesundheitsbehörde bekommen. Darin steht, dass ein zweiter Gesundheitsraum in St. Georg definitiv nicht eröffnet wird.
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