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Gute Laune war gestern

Keine Outings, keine Koalitionsbrüche, keine Wahlkämpfe mehr: Nach einem turbulenten Jahr ist die Berliner SPD wieder ganz bei sich – und wählt mit Peter Strieder einen Vorsitzenden, den sie nicht mag

von ROBIN ALEXANDER

„Wie geht’s?“ – „Es muss.“

So grüßen sich ein bärtiger Genosse und eine Genossin mit Doppelnamen am Sonntagmorgen auf der Treppe des schicken Hotels in der Friedrichstraße, in dem der Parteitag gleich beginnen wird. Und mit diesem kleinen Allerweltsdialog ist eigentlich auch schon alles gesagt zur aktuellen Lage des Landesverbands Berlin der SPD. Ein Hauch milden Fatalismus schwebt über den Delegierten und wird sich an diesem Wochenende auch nicht mehr verziehen.

Noch vor einem Jahr war das ganz anders, erinnert sich mancher beim Kaffee im Foyer. Klaus Wowereit hatte damals Eberhard Diepgen gestürzt. Die enge und abgetragene große Koalition in der Luft zerissen wie einen alten Lumpen und sich in ebendieser niedrigen Halle zum Bürgermeisterkandidaten nominieren lassen. Mit dem Slogan „Ich bin schwul, und das ist auch gut so“. Damals war was los in der SPD und in der Stadt. Motiviert bis in die Haarspitzen zog man in den Wahlkampf wie in eine Schlacht. Die ist nun schon lang gewonnen und die Früchte des Sieges schmecken bitter.

Mit der PDS musste man koalieren. Eine 23-Milliarden-Bürgschaft für die Bankgesellschaft unterschreiben. Den Bezirken Geld wegnehmen. Bei den Projekten kürzen. Seit sie stärkste politische Kraft ist, hat die SPD mehr als einmal gegen ihr Gewissen handeln müssen. Wie sehr das den Genossen aufs Gemüt schlägt, kann man an diesem Sonntag in ihren Gesichtern lesen. So eine Stimmung ist gefährlich, denkt sich Klaus Wowereit und entscheidet: Besser gar nicht erst an der Lethargie rühren. Der Regierende, vor einem Jahr noch gefeierter Liebling der Partei, sitzt an diesem Tag stumm auf dem Podium und ergreift nicht das Wort.

Die Klappe zu halten, hätten viele auch Peter Strieder empfohlen. Aber der umstrittene Parteivorsitzende hatte schon Wochen zuvor mit einem Thesenpapier für Aufsehen gesorgt. Er will künftig die Kandidaten fürs Abgeordnetenhaus über eine Landesliste aufstellen, statt sie von den Bezirken nominieren zu lassen. Außerdem sollen die Möglichkeiten der Parteizentrale gestärkt werden.

Zur Abstimmung steht das alles heute nicht. Aber zur Abstimmung steht Strieder. Wird der Vorsitzende wiedergewählt werden? Es gibt viel Unmut und eine innerparteiliche Opposition gibt es auch – aber schlecht organisiert ist sie! Ein Gegenkandidat? Wurde nicht gefunden. Öffentlichkeit? Erst am Vortag fordern die SPD-Rebellen im Radio, Wowereit möge statt Strieder den Vorsitz übernehmen. Ein guter Redner gegen den Vorsitzenden? Der Strieder-Feind und Parteilinke Hans Georg Lorenz nennt in seinem Beitrag nicht einmal den Namen des Ungeliebten.

Strieder versucht in seiner Rede die Seele der Partei zu erreichen. Fordert Ganztagsschulen, erinnert an Brandt, schimpft auf die FDP. Nur schüchtern wirbt er für seine Projekte Landesliste und Organisationsumbau – und erntet eisiges Schweigen. Am Ende bekommt Strieder 71 Prozent. Zu viel für eine Abstrafung, zu wenig für eine Stärkung des alten und neuen Vorsitzenden. Ein Ergebnis, dem sich keine Botschaft zuschreiben lässt. Mit Gerlinde Schermer wird später eine Strieder-Kritikerin durchfallen, die für den Geschäftführenden Landesvorstand gegen die Exfinanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing antrat. Nach einem Gastreferat von Peter Struck, Fraktionsvorsitzender im Bundestag, erwächst der Eindruck, auch im Bund stehe es nicht besser um den Elan der Sozialdemokratie. Spannend ist es auf diesem Parteitag nur im Foyer, wo auf einem Fernseher das Elfmeterschießen des Achtelfinales Irland gegen Spanien übertragen wird. Interessant wird es auch am Buffet und in den Gängen, wenn man seinen Gesprächspartnern zusagt, ihre Namen nicht zu drucken. Dann kann man hören, wie einige Genossen wirklich denken über die Politik ihres Senats. Der Umgang mit den Gewerkschaften sei „an Schäbigkeit nicht zu überbieten“, meint einer, der lange in Verantwortung war. Den Solidarpakt, das zentrale Ziel des Wowereit-Senats, nennen viele mit spitzer Zunge den „so genannten Sozialpakt“ oder „den Verzichtspakt“. „Ist Sarrazin wirklich irre?“, fragt ein älterer Herr und ein Mitglied des Abgeordnetenhauses antwortet: „Der Mann ist ein Verfassungsfeind.“

Lange dauert der Parteitag nicht an diesem Sonntag. Schnell nach Hause wollen die hier Versammelten, schnell weg von sich selbst. Die Berliner SPD ist zurzeit eine Partei, die sich selbst nicht mag. So gesehen ist der ungeliebte Strieder schon ein passender Vorsitzender.

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