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Mit Frauenpolitik zur Ungleichheit

Was käme unter einer konservativen Regierung auf die Frauen zu? Die Bundesfrauenkonferenz der Grünen versucht, schon einmal von Österreich und den Niederlanden zu lernen. Die „Wiener Melange“ zeigt: Frauenpolitik kann auch Rückschritt sein

aus Essen HEIDE OESTREICH

Was blüht eigentlich den Frauen, wenn die Union das bundesrepublikanische Steuer wieder übernimmt? Vielleicht aus Solidarität mit bereits gebeutelten Nachbarländern, vielleicht auch, um ihre Basis gegen die bösen Konservativen zu mobilisieren, diskutierte die Bundesfrauenkonferenz der Grünen am Wochenende in Essen den „Rechtsruck in Europa“ und seine Auswirkungen auf die Frauenpolitik.

Gleich zu Beginn: Einheitlich sind die nicht. In einem Land wie Österreich mit einer ohnehin konservativen Grundhaltung richtet ein solcher Regierungswechsel, so scheint es, mehr Flurschaden an als etwa in den Niederlanden – zumal auch die Haider-FPÖ weit rechts von der Populistenpartei Pim Fortuyns steht.

Sieglinde Rosenberger, Politikwissenschaftlerin aus Wien, zeichnet das Bild der typischen „Wiener Melange“ aus neoliberalen, konservativen und populistischen Elementen. Der Liberalismus setze in Wirtschaftsfragen auf weniger politische Steuerung, und das heiße immer: mehr Ungleichheit. So werden Abstiegsängste geschürt, die nicht mehr von einem System der sozialen Sicherung abgefangen werden.

Die konservative Antwort nun auf die derart produzierte Unsicherheit heißt: Die Familie ist deine Sicherheit. Dabei setzt Österreichs Regierung durchaus auf eine Art Superweib, die „Karrierefrau mit Kindern“ – aber bitte nicht ohne Kinder. Darum sieht die Karriere in der Praxis doch nicht ganz so glänzend aus: „Das Modell ist das des männlichen Haupternährers samt Dazuverdienerin“, so Rosenberger.

Die optimale Verwertung der Frau im Flexikapitalismus ist demnach: Sie fängt einerseits „unnötige“ soziale Kosten auf und bedient andererseits einen extra für sie geschaffenen Niedriglohnmarkt. Das Ganze wird garniert mit einer Rhetorik der „Tüchtigen und Fleißigen“ gegen die „faulen Sozialschmarotzer“, die den Standort Österreich gefährden. Das ist neoliberaler Nationalismus. Frauen müssen in diesem Kontext also Opfer für das Gemeinwohl bringen anstatt „immer nur an die eigene Selbstverwirklichung zu denken“, zitiert Rosenberger den Frauenminister Österreichs. Der hat übrigens gerade eine Frauenzeitung einstellen lassen, weil dort nur Frauen schreiben und das gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. „Es gibt Frauenpolitik in Österreich, aber die ist nicht mehr emanzipatorisch, sondern verstärkt die Ungleichheiten“, schließt die Wissenschaftlerin.

Ob Deutschland es zu solch einer Karikaturhaftigkeit bringen würde? Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth steuert jedenfalls Zitate von Bayerns Innenminister Günther Beckstein bei, der ihr, der Kinderlosen, in einer Talkshow vorgeworfen habe: „Solche wie Sie sind schuld daran, dass wir jetzt ein demografisches Problem haben und über Einwanderer reden müssen.“ Zumindest rhetorisch durchaus FPÖ-anschlussfähig.

Die Niederlande, repräsentiert von Marije Cornelissen von der Partei „Groenlinks“, dagegen sehen ihre populistisch-konservative Wende zunächst cool: Die Frauenszene habe sich ebenso wie die Politik von den Leuten „auf der Straße“ entfernt, analysierte Cornelissen. „Sie kümmerten sich darum, wie man Migrantinnen am allerkorrektesten bezeichnet, und warteten auf den nächsten Unterstützungsscheck vom Staat.“ Jetzt habe die Linke einen Schock – und siehe da, die kleine grüne Partei mit 15.000 Mitgliedern verzeichnete binnen eines Monats einen Zuwachs von 750 Menschen. Im Übrigen würde die EU mit ihrer fortschrittlichen Gesetzgebung schon darauf achten, dass die Frauenrechte gewahrt blieben.

Ganz so gelassen mögen die deutschen Grünen das nicht sehen. Kein Wunder: Der Kanzlerkandidat der Union kommt aus einem Bundesland, das weit weg von Holland und verteufelt nah an Österreich liegt.

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