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Erbpacht für Neonaziverein beschlossen

Trotz Warnungen vom Verfassungsschutz will die Stadt Zittau dem Nationalen Jugendblock ein Haus überlassen

ZITTAU taz ■ Der „Nationale Jugendblock e. V.“ (NJB) in Zittau ist „eine der wichtigsten rechtsextremistischen Organisationen in Ostsachsen“, deren Treffen von Gesinnungsgenossen aus ganz Deutschland besucht werden. Sagt der sächsische Verfassungsschutz. Doch die Zittauer CDU und einige PDS-Stadträte sehen das offenbar anders.

Am Donnerstag entschieden sie auf Antrag der CDU-Fraktion mehrheitlich, dem neonazistischen Verein NJB das in kommunaler Hand befindliche Haus Südstraße 8 mit einem Erbpachtvertrag zu überlassen. Für eine Laufzeit von zwölf Jahren. Mit dem „in Deutschland einmaligen Beschluss, einen Vertrag zwischen Neonazis und einer Kommune abzuschließen“, so die SPD-Opposition, setzte der Stadtrat einen vorläufigen Schlussstrich unter eine Debatte, die die 28.000-Einwohner-Stadt seit Monaten spaltet. Da half es nichts, dass der Verfassungsschutz gewarnt hatte: Wenn der NJB weiter seine als „national befreite Zone“ bezeichneten Räume nach eigenem Gutdünken nutzen könne, werde „sich die rechtextremistische Szene in Ostsachsen weiter verfestigen, überregional verknüpfen und weiteren Zulauf bekommen.“

„Jetzt muss sich der NJB nicht einmal an ein neues Domizil gewöhnen“, lautete der resignierte Kommentar eines Kritikers. Denn neun Jahre lang hatte die Stadt den Rechten das Haus Südstraße 8 im Zittauer Gewerbegebiet für wenige hundert Mark monatlich vermietet. Naziskinkonzerte, gute Kontakte zur NPD und alljährliche Neonazi-Aufmärsche waren die Folge. Versuche, Einfluss auf die Entwicklung des NJB zu nehmen, scheiterten. Zwei von drei Sozialarbeitern warfen das Handtuch.

Bis zum Sommer vergangenen Jahres störten diese für den NJB paradiesischen Zustände kaum jemanden in der Stadt – „abgesehen von ausländischen Studenten und linken Jugendlichen, die immer wieder angegriffen wurden,“ so Hagen Kreisel von der Opferberatungsstelle AMAL. Dann kündigte der damalige CDU-OB überraschend den Mietvertrag mit dem NJB, der jedoch bei einem privaten Vermieter eine neue Bleibe fand. In einer baufälligen Gründerzeitvilla in der Lessingstraße, mitten im besten Wohnviertel. Die neuen Nachbarn fürchteten „Gefahren für Leib und Leben“ und gründeten eine „Eigeninitiative Lessingstraße“. Deren Forderung, die Problemkinder dahin abzuschieben, wo sie herkamen – nämlich in das Haus Südstraße 8 – unterschrieben rund 600 Zittauer. Verbunden mit der Aufforderung, „sich nicht intolerant von außen beeinflussen zu lassen, sondern die Courage zu haben, Zittauer Kinder von Zittauer Bürgern nicht auszugrenzen“, war auch eine Drohung: Sollte die Stadt den Vertrag nicht abschließen, würde man dem NJB das Haus in der Südstraße 8 eben selber kaufen.

Noch ist nicht endgültig entschieden, ob so viel „Bürgerengagement“ nötig ist. Denn die SPD-Ratsfraktion hat rechtliche Schritte gegen die Entscheidung angekündigt. Und auch Oberbürgermeister Arnd Voigt (Freie Wähler) möchte von seinem Entschluss, keinen Vertrag mit dem NJB abzuschließen, eigentlich nicht abrücken. HEIKE KLEFFNER

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