: Angriff der Klonkicker
WM-Sensation: Warum das deutsche Team heute gegen das koreanische gewinnt
Deutschland steht im Halbfinale der Fußballweltmeisterschaft. Wie konnte das passieren?, fragen sich nicht nur die Deutschen. Hatte man doch vor der WM befürchtet, dass diese keineswegs „optimal mental“ (Bierhoff) eingestellte Mannschaft Deutschlands Fußball endgültig der Lächerlichkeit preisgegeben werde. Katharina Adami, Public-Relations-Managerin des DFB, brachte das Dilemma auf den Punkt: „Es hilft nichts, die Situation schönzureden – wir stehen am Abgrund. Wenn Deutschland vorzeitig ausscheidet, dann müssen Köpfe rollen!“ Starke Worte – aber wie, fragten sich Beobachter der Szene, kann in kürzester Zeit eine wirklich schlagkräftige Truppe zusammengestellt werden, die Deutschland in der Fußballwelt wieder würdig vertreten kann?
Im DFB-Lager munkelte man schon vor dem ersten Spiel von „Überraschungen, über die sich die Welt noch wundern wird“. Von Geheimplänen war die Rede, von einer fußballerischen „Wunderwaffe“, die das deutsche Team zum – unter Experten längst abgeschriebenen – Endsieg führen könnte. Nach dem fulminanten 8:0 gegen die Saudis brodelte die Gerüchteküche stärker denn je. Wie war es möglich, dass aus einem Häuflein verzagter Ballschieber so schnell eine Truppe wurde, die sich bis ins Halbfinale durchstolperte, während wesentlich stärkere Teams schon nach der Vorrunde rausflogen? Zwar kehrte nach dem in letzter Sekunde vergeigten Sieg gegen die „Irländer“ (Rudi Völler) kurzfristig Ernüchterung ein, doch spätestens seit den roboterhaft erkämpften Erfolgen über Kamerun, Paraguay und USA reibt sich die Fußballwelt die Augen. Irgendetwas kann da nicht mit rechten Dingen zugehen …
Die Antwort auf Deutschlands fußballerische Wunderheilung liegt in einem unterirdischen Geheimlabor in Peenemünde. Professor Günter Lempa, Direktor des Instituts für angewandte Genforschung und wissenschaftlicher Beirat des DFB, arbeitet dort nämlich seit geraumer Zeit mit einem hochkarätig besetzten Mitarbeiterstab an der Klonung deutscher Fußball-Legenden. „Das heute zur Verfügung stehende Spielermaterial ist aus genetischer Sicht einfach zu minderwertig, um im internationalen Fußball mithalten zu können. Aber mit der Klonung von Stammspielerzellen früherer Topspieler wie Seeler oder Beckenbauer und einer neuartigen Implantationstechnik sind wir in der Lage, eine auch international absolut konkurrenzfähige DFB-Auswahl auf die Beine zu stellen.“
Ein Anfang ist gemacht: In der Vorrunde waren zwar erst drei gentechnisch aufgerüstete Spieler im Einsatz (Kahn, Klose, Jancker), aber Lempa und sein Team arbeiten in ihrem streng abgeschirmten Labor fieberhaft daran, im Halbfinale gegen Südkorea vier weitere auflaufen lassen zu können. Spätestens zum Endspiel, so der Plan, soll eine komplett zusammengeschweißte Klonelf für Furore sorgen.
Dann wird die Welt den Angriff der Klonkicker zu sehen bekommen: millimetergenaue Steilpässe; Kombinationsspiel von atemberaubender Geschwindigkeit; Stürmer, die ihre Gegner auf engstem Raum schwindlig spielen – Kabinettstückchen, wie man sie bisher nur von südamerikanischen Teams kannte. Janckers in den ersten beiden Spielen zu beobachtende Vorliebe für Hackentricks war ein erster Beweis für die Praxistauglichkeit des Projekts, seine Fehlpässe gegen Kamerun allerdings zeugten von gravierenden Problemen bei der Feineinstellung der Steuersoftware.
Die Vorteile der Klonkicker liegen trotzdem auf der Hand: Bei Verletzungen oder Ausfall des Sensor-Implantats kann in Zukunft sofort ein gleichwertiger Ersatzspieler von der Reservebank aufs Feld geschickt werden, taktische Anweisungen des Trainers werden von den Spielern hundertprozentig umgesetzt: Ein Klon-Häßler oder Klonbomber Müller würden für wunderbare Tore sorgen.
DFB-Klonreferent Stephan Philipp hat auch eine Erklärung für den grausam anzuschauenden Holzhacker-Fußball unserer Mannschaft. Mit deutlichen Worten warnt der gewiefte Stratege vor einer zu radikalen Abkehr vom bieder-deutschen Hausmacherfußball: „Wir müssen natürlich aufpassen, dass wir nicht unbesiegbar werden. Auch unsere Spieler müssen mal einen Fehlpass spielen, hölzern im Strafraum herumstochern und das eine oder andere Tor zulassen – sonst tritt irgendwann kein Gegner mehr gegen die Deutschen an.“ RÜDIGER KIND
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