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Israel streitet um „Schutzwall“

Israels Verteidigungsminister Ben-Elieser will Sicherheitszone auf 22 Prozent des Westjordanlandes errichten. Armee mobilisiert 1.500 Reservisten. Peres warnt vor langer Militäroperation. Kabelgesellschaften erwägen Boykott von CNN

aus Jerusalem ANNE PONGER

Knapp eine Woche nach Beginn der Operation mit dem neuen Titel „Entschlossener Weg“ klagt die Armee über den Mangel an aktuellen Geheimdienstinformationen über neue Terrorzellen, die sich seit der vorigen Operation „Schutzwall“ gebildet haben. Nachdem übers Wochenende bereits 1.500 Reservisten mobilisiert und zahlreiche Einheiten in Alarmbereitschaft versetzt wurden, sind alle Städte und Dörfer im Westjordanland, mit Ausnahme Jerichos, praktisch unter Militärkontrolle. Obwohl Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser und die Armeeführung vor dem Begriff Neubesetzung zurückschrecken, spricht man von verlängerter Präsenz, die Wochen, wenn nicht Monate dauern könnte. Gegenüber dem Militärsender erklärte Außenminister Peres, die Armee solle so schnell wie möglich wieder aus den palästinensischen Gebieten abziehen. „Im Westjordanland zu bleiben, kostet nicht nur Geld und Reserven“, meinte Peres, es werfe zudem die Frage nach dem Schicksal der „dreieinhalb Millionen Menschen, die dort leben“, auf.

Sowohl Israel als auch die Palästinenser erwarteten nicht zuletzt mit Blick auf die Fortsetzung der Militäroperation mit Spannung die Nahostrede von US-Präsident George W. Bush, der Informationen der Online-Ausgabe von Ha’aretz zufolge noch am Montag Stellung zu der möglichen Gründung eines temporären Palästinenserstaates nehmen wollte. Bereits im Vorfeld seiner Ansprache wurde Skepsis von beiden Seiten laut. Während Scharon nach den jüngsten Attentaten in Jerusalem eine Staatsgründung ausschließt, verurteilte der palästinensische Planungsminister Nabil Schaath die Idee eines „provisorischen Staates“.

Benjamin Ben-Elieser legte am Vortag der Regierung die Pläne für die Errichtung einer Pufferzone zwischen Israel und dem Westjordanland vor. Demnach würden 22 Prozent des palästinensischen Landes zur Pufferzone erklärt werden. Dafür bestünden nach Ansicht des Außenministers „keinerlei Grund und Notwendigkeit“. Wäre der Plan, der „alle bestehenden Verträge“ missachte, von der Regierung beschlossen worden, „wäre ich heute nicht mehr dabei“, meinte Außenminister Peres. Ministerpräsident Scharon betonte, dass er „keinen Minister verlieren möchte“, schon gar nicht den Außenminister. Die Kabinettsmitglieder sind aufgerufen, bis Ende des Monats Änderungsvorschläge zum vorgelegten Plan vorzubringen.

In der israelischen Öffentlichkeit entzündete sich unterdessen eine Kontroverse um die am Wochenende von Kabel- und Satellitengesellschaften geäußerte Drohung, den amerikanischen Nachrichtensender CNN durch andere, „israelfreundlichere“ Kanäle zu ersetzen. Kommunikationsminister Reuven Rivlin (Likud) warnte den Nachrichtendirektor von CNN, Eason Jordan, am Sonntag, die Berichterstattung des Kanals werde in Israel als einseitig propalästinensisch empfunden. Auslöser der Boykottdrohungen gegenüber dem populären Nachrichtenkanal war ein Interview mit CNN-Gründer Ted Turner im Londoner Guardian gewesen, wo er der Armee „Terror gegen Palästinenser“ vorwarf. Von palästinensischer Seite wird CNN dagegen oft vorgeworfen, ein „Propagandaarm der Scharon-Regierung“ zu sein. Die derzeitigen Boykotttendenzen, so schrieb die Tageszeitung Ha’aretz am Montag, „erinnere an die dunkelsten Regime“, die die Informationen an ihre Bürger strikt kontrollierten.

Die Arafat-Administration ging gestern gegen islamistische Kräfte vor. Der Hamas-Gründer Scheich Jassin wurde unter Hausarrest gestellt. Weitere Hamas-Anhänger kamen in Gaza in Haft.

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