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Aus Pisa wird keiner schlau

Politiker und Verbände überbieten sich mit vorschnellen Schlussfolgerungen aus der Pisa-Studie. OECD-Experte Andreas Schleicher warnt davor, die Studie im Wahlkampf zu instrumentalisieren

BERLIN taz ■ Die Schulstudie Pisa liegt als detaillierter Bundesländervergleich auf dem Tisch – aber eindeutige Konsequenzen vermag die Politik daraus nicht zu ziehen. In allen Ländern haben die weit auseinander driftenden Leistungen deutscher Schüler zu einem Parteienstreit geführt. „Die SPD hat mit ihrer Schulpolitik Schüler eindeutig benachteiligt“, sagte etwa Bayerns Bildungsministerin Monika Hohlmeier (CSU), deren Land bei dem Ländervergleich durchgehend Spitzenplätze errungen hat. 50.000 deutsche 15-Jährige hatten sich mit Pisa ihr Leseverständnis testen lassen.

Der Leiter der internationalen Pisa-Studie, Andreas Schleicher, warnte unterdessen davor, den Test für den Wahlkampf zu missbrauchen. „Tatsache ist doch, dass weder CDU- noch SPD-regierte Länder im internationalen Bildungswettbewerb mithalten können“, sagte der OECD-Mann in einem Interview mit der taz. Auch Bayern reiche „nicht annähernd“ an die international erfolgreichsten Staaten wie Finnland, Kanada oder Korea heran.

Schleicher machte das deutsche Schulsystem für die schlechten Ergebnisse verantwortlich. In keinem anderen Land gebe es noch „schulische Diskriminierungen, die so deutlich durch Herkunft oder Abstammung bedingt sind“, sagte er. Das Bildungsangebot der Schulen sei ungenügend, die Bildungschancen seien schlecht verteilt. Die in Deutschland übliche scharfe Auslese könne den eigenen akademischen Nachwuchs gefährden. „Ein Industrieland wie Deutschland hat Hochschulabsolventen aber dringend nötig“, sagte Schleicher.

Bisher ergaben die Debatten über Pisa nur ein greifbares Ergebnis: Alle Kultusminister wollen nun regelmäßige Vergleichstests. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) hat sogar gefordert, nationale Schülervergleiche vorzunehmen – und sich damit erneut in die Kulturhoheit der Länder eingemischt. Die Ministerin will eine „Task-Force“ einsetzen, die Bildungsreformen anstoßen soll.

Im Übrigen gehen die Analysen und Vorschläge nach Pisa wild durcheinander. Die Philologen fordern stärkere Gymnasien, Niedersachsens Ministerpräsident Gabriel verlangt bessere Haupt- und Realschulen, die Bildungsgewerkschaft GEW Kindergärten mit Bildungsauftrag – und die Union mehr Leistung. Mehr Geld für die Bildung wollen alle – außer den Finanzministern der Länder. Ihren Beschluss, ab 2005 die Bildungsausgaben deutlich zu senken, haben sie bisher nicht zurückgenommen.

Renommierte Bildungsforscher warnen davor, auf Pisa mit politisch motivierten Schnellschüssen zu reagieren. „Ich rate jedem, erst einmal in Ruhe den Pisa-Bericht zu lesen“, sagte der Erziehungswissenschaftler Hans Brügelmann. Ab heute Abend, 18 Uhr geht das – da legen 16 deutsche Kultusminister die Studie als Buch vor. CHRISTIAN FÜLLER

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