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Kahn-TV am Hafenrand

Wieder 1:0-Berichterstattung: Doch beim Halbfinale auf dem Fischmarkt lahmt der Promi-Faktor vor der Großbildleinwand erheblich. Sonntag ist wieder Schwarzrotgold

von PETER AHRENS

Norman Hild gewinnt wieder den Wettbewerb: Wer schreit am lautesten? Vielleicht ist der NDR-Mann, der da vorne auf der Bühne steht, ja durch den Ort des Geschehens animiert. Die Großbildleinwand, auf der Oliver Kahn Richtung Endspiel wütet, steht diesmal auf dem Fischmarkt, und da gehört Marktschreiertum zum guten Ton. Also lässt Norman Hild Stimmbänder und Puppen tanzen, um die einigen Tausend, die vor ihm stehen und auf den Anpfiff in Südkorea warten, in Stimmung zu bringen. Wobei mit Stimmung hier eine Melange aus „Hoch die Fahnen“ und „Es gibt nur einen Rudi Völler“ gemeint ist. Deutschland ist im Endspiel, und insofern ist für Sonntag die nächste schwarz-rot-goldene Großbildveranstaltung schon programmiert.

Ballack und Mitstreiter waren dabei gestern ziemlich auf sich alleine gestellt. Zumindest die politische Prominenz ließ die deutsche Mannschaft schmählich hängen. Bürgermeister Ole von Beust, der am Freitag auf dem Rathausmarkt noch dabei war, ist an diesem frühen Nachmittag ebenso auf dem Weg nach Berlin wie Sportsenator Rudolf Lange. Der eine wegen Wahlkampf, der andere in Sachen Pisa. Innensenator Schill brütet mit seiner Parteispitze darüber, wie man die Ein-Prozent-Hürde im September überspringen will, und Finanzsenator Wolfgang Peiner sitzt in der Behörde und wartet darauf, JournalistInnen-Anfragen zum aktuellen Haushalt zu beantworten.

So wird lediglich Gesundheitssenator Peter Rehaag zum Fischmarkt geschickt, aber niemand nimmt so recht Notiz von ihm, und deswegen verdrückt sich der Schill-Mann zur Halbzeitpause wieder. So lahmt der Promi-Faktor im VIP-Bereich der Fischauktionshalle gegenüber dem Viertelfinale am Freitag gewaltig. Das Unzertrennlichen-Duo vom NDR, Gerd Spiekermann und Friedhelm Mönter, mag man nur halb dazuzählen.

Während vorn auf dem Fischmarkt die ersten Angemalten das volle Holsten-Programm fahren und das Ballack-Tor nur noch getrübt mitbekommen, wird unter den VIPs jeglicher Ballkontakt von Oliver Kahn bejubelt, mag er noch so banal sein. Doch allen istmittlerweile zu Ohren gekommen, dass Kahn Kult ist, und deswegen ist auch alles, was er macht, Kult. Das übliche 1:0 fällt. Alle aus dem VIP-Zelt stürzen schnell raus, gucken sich die jubelnde Menge an und verziehen sich dann wieder unters Dach.

Der Schlusspfiff ist da, zwei Minuten Euphorie, bis Norman Hild wieder die Kapelle auf die Bühne schickt, damit sie noch einmal das Lied vom Rudi Völler anstimmt. Wer nüchtern ist, macht sich rasch auf den Weg zur S-Bahn. Die Gruppe der Koreaner mit ihren Trommeln ist schon vorher stumm geworden.

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