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Dosenpfand rückt näher

Pfandgegner verlieren vor dem Bundesverfassungsgericht – allerdings nur aus prozessualen Gründen. Handel und Einwegabfüller kämpfen weiter vor allen möglichen Gerichten und setzen auf den Wahlsieg von Stoiber

aus Freiburg CHRISTIAN RATH

Die Gegner des Dosenpfands haben vor dem Bundesverfassungsgericht eine neue juristische Niederlage erlitten. Karlsruhe lehnte gestern ihre Verfassungsbeschwerde ab. Doch der Einzelhandel und die großen Getränkehersteller haben noch zahlreiche juristische und politische Eisen im Feuer.

Für Getränkeverpackungen ist seit 1991 eine Pfandpflicht vorgesehen, die aber so lange ausgesetzt ist, wie der Mehrweganteil über 72 Prozent liegt. Allerdings ist dieser Wert bereits seit 1997 unterschritten. Eine Nachuntersuchung für die Jahre 1997 bis 2000 wird vermutlich eine weitere deutliche Absenkung ergeben.

Mit Veröffentlichung dieser Nacherhebung im Bundesanzeiger – als Termin ist der erste Juli vorgesehen – beginnt eine halbjährliche Frist bis zur Einführung des Einwegpfandes. Ab ersten Januar erhalten Verbraucher dann für ihre Dosen und Pet-Flaschen 25 oder 50 Cent zurück.

Der Handel jedoch fürchtet hohe Investitionen in neue Rücknahmesysteme und versuchte, die Veröffentlichung der Nacherhebung zu verhindern. Das Hauptargument: Das Dosenpfand sei nicht geeignet, Mehrwegsysteme zu sichern, weil viele Händler auch künftig nur ein Pfandsystem – dann aber für Einwegbehälter – benutzen werden. In Eilverfahren entschieden jedoch das Verwaltungsgericht Berlin (im August 2001) und das Oberverwaltungsgericht Berlin (im Februar 2002) gegen die Handelsketten. Begründung: Das Dosenpfand sei „nicht offensichtlich ungeeignet“.

Das Verfassungsgericht befasste sich nun gar nicht inhaltlich mit den Klagen, sondern lehnte diese ab, weil der Rechtsweg bisher nicht ausgeschöpft wurde. Die Handelsketten hätten immer nur Eilverfahren angestrengt, nie aber ein Hauptsacheverfahren eingeleitet. Deshalb habe sich noch nie ein Fachgericht gründlich mit den widersprüchlichen Studien auseinander setzen können, ärgerte sich Karlsruhe. Inhaltlich nahm das Gericht keine Stellung.

Wie geht es nun weiter? Sobald Umweltminister Jürgen Trittin in der nächsten Woche die Nacherhebung bekannt macht, wollen die Pfandgegner erneut bei den Berliner Verwaltungsgerichten klagen. Im Eilverfahren wollen sie vor allem die „sofortige Vollziehbarkeit“ der Pfandpflicht abwenden.

Die Kläger hoffen aus zwei Gründen, dass sie dann mehr Erfolg haben als bisher. Zum einen hat sich zwischenzeitlich auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen gegen die Pfandpflicht ausgesprochen, zum anderen will Trittin neben Bier und Mineralwasser auch Limonaden in die Pfandpflicht einbeziehen. Bei den „kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken“ habe das Umweltministerium aber nicht das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, rügen die Gegner. Verfahrensausgang offen.

Zahlreiche Brauereien klagen inzwischen auch auf Landesebene gegen einen „fiktiven Verwaltungsakt“ der Länder, mit dem ihre Freistellung von der Pfandpflicht beendet werde. Juristisch sehr weit hergeholt, da aber bei fast allen Verwaltungsgerichten Deutschlands Klagen anhängig sind, könnte es sein, dass die Pfandgegner hier und dort doch sympathisierende Richter finden. Schon mit einer Handvoll Gerichtsbeschlüssen könnte der Aufbau eines flächendeckenden Rücknahmesystems torpediert werden.

Zu beachten ist außerdem die Bundestagswahl am 22. September. Eine neue konservative Regierung könnte zwar die Verpackungsverordnung kaum noch vor dem 1. Januar verändern, aber sie könnte ohne weiteres den Sofortvollzug des Zwangspfandes aussetzen und den Pfandgegnern Zeitgewinn verschaffen. Trittin forderte gestern Handel und Einwegabfüller auf, „nicht weiter rumzutricksen“.

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