piwik no script img

Rien ne va plus

Die landeseigene Messe GmbH will Veranstaltungen verkaufen und mit einem neuen Casino die Messehallen sanieren. Kritik von SPD und Grünen

SPD-Fraktionschef Müller fordert für die Messe eine „seriöse Finanzierung“

von PHILIPP GESSLER

Faites vos jeux: Die finanziell mehr als klamme Messe Berlin will ihr Veranstaltungsgeschäft privatisieren und ein Casino gründen, um so Geld für Investitionen einzunehmen. Dies hat der Chef des landeseigenen Unternehmens, Raimund Hosch, angekündigt. Ein „Zwei-Säulen-Modell“ soll das Überleben der GmbH sichern, die nach Ansicht des CDU-Fraktionschefs im Abgeordnetenhaus, Frank Steffel, ohne Privatisierung „spätestens“ im kommenden Jahr Insolvenz beantragen müsse.

Nach Hoschs „Zwei-Säulen-Modell“ soll das Messegrundstück und die Gebäude der Messe im Besitz des Landes verbleiben, und zwar in Form einer Grundstücks-KG. Messe und Ausstellungen sowie Kongresse und Veranstaltungen sollten dagegen verkauft werden, schlug Hosch vor. Bereits im März hatte die Unternehmensleitung dem Senat ein Privatisierungsmodell unterbreitet. Seit April berät eine „Arbeitsgruppe Privatisierung“ mit Vertetern der Senatsverwaltungen für Wirtschaft und Finanzen sowie der Messe die Einzelheiten.

Der Messechef will das Casino im ICC eröffnen, um genug Geld für den Unterhalt der Messe-Gebäude und des ICC einzunehmen. Die Einkünfte aus der Spielbankabgabe könnten die Sanierung der Gebäude sichern – inklusive des ICC, des Funkturms und der Deutschlandhalle. Allerdings ist es dafür nötig, das Spielbankgesetz der Stadt zu ändern. Das hält Hosch für möglich.

Der SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Michael Müller, nennt dagegen den Casino-Vorschlag Hoschs einen „großen Unsinn“. Schon die Eröffnung einer zweiten Spielbank Mitte der Neunzigerjahre habe zu einer beachtlichen Konkurrenz zwischen den zwei Casinos der Stadt geführt. Die Gründung einer dritten Spielbank sei daher „problematisch“. Zudem brauche die Messe eine „seriöse Finanzierung“, die unabhängig sei von den schwankenden Einnahmen aus dem Spielbank-Geschäft.

Kritisch äußerte sich Müller auch zu einer Änderung des Spielbankgesetzes, die nötig wäre, wenn ein drittes Casino in der Stadt etabliert werden sollte. Als vor rund sechs Jahren das derzeitige Spielbankgesetz geändert worden sei, habe dies Monate gedauert und eines langen Vorlaufs bedurft. Unklar sei auch, ob für eine erneute Änderung dieses Gesetzes überhaupt eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus zustande kommen könne. Bisher gibt es am Potsdamer Platz und im Forum Hotel am Alexanderplatz je eine Spielbank. Bis Mitte der Neunzigerjahre hatte es auch ein Casino im Europacenter am Kurfürstendamm gegeben.

Die Vizechefin und Wirtschaftsexpertin der bündnisgrünen Fraktion, Lisa Paus, bezeichnete die Casino-Idee als „relativ abenteuerlich“. Sie verwies darauf, dass schon die zwei Casinos der Stadt wochentags in der Regel nicht gerade überfüllt seien. Es sei deshalb zu fragen, wie viele Spielbanken in der Stadt sinnvoll seien und wie viele Berlin überhaupt verkraften könne. Nach ihren Informationen belaufen sich die geplanten Einnahmen des Landes durch eine Spielbankabgabe sowie eine Zusatzabgabe der Casinos für dieses Jahr auf etwa 85 Millionen Euro. Auch für das kommende Jahr gehe man von gleich hohen Einnahmen aus. Im vergangenen Jahr lagen sie jedoch noch bei insgesamt etwa 88 Millionen Euro.

Rien ne va plus? So sieht es Rolf Dörres, Technischer Direktor der Spielbank am Potsdamer Platz, nicht: Wenn ein drittes Casino in der Stadt eine Konzession erhalte, „dann gerne“: „Konkurrenz fördert das Geschäft.“ Zwar räumt Dörres ein, dass unter den Casinos „der Kuchen dann kleiner“ würde. Das aber sei für sein Haus kein Problem. Schon jetzt sei man ja mit den Spielbanken in Potsdam und am Alexanderplatz Konkurrenz gewöhnt. An der Messe wäre zudem eine andere Klientel ansprechbar. Und auf die Frage, ob nicht durch eine dritte Spielbank sein Geschäft schlechter werden könnte, antwortet Dörres mit einem alten Kaufmannsspruch: „Die Geschäfte laufen immer schlecht.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen