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Die Richtung stimmt

Die Hartz-Kommission setzt zu Recht auf finanzielle Anreize für Arbeitsuchende und eine bessere Arbeitsvermittlung. Nur: Erst muss man die Bundesanstalt für Arbeit reformieren

Eine Chipkarte mit Informationen von Erwerbstätigen oder Arbeitsuchenden wäre sehr nützlich

VW-Manager Peter Hartz hat es versprochen: die Zahl der Arbeitslosen ist in Deutschland in den nächsten zwei Jahren zu halbieren. Das kann sicherlich nur gelingen, wenn ein kräftiges Wirtschaftswachstum einsetzt. Die Vorschläge seiner Kommission tragen dazu bei, aber sie reichen nicht aus. Das war auch gar nicht zu erwarten gewesen, denn die „Hartz-Kommission“ soll ja keine neue Wirtschaftspolitik entwerfen. Ihre Aufgabe ist noch nicht mal so weit gefasst wie die des „Bündnisses für Arbeit“, sondern sie ist lediglich eine Kommission für „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (so der offizielle Name).

Dabei geht es also weder um den Kündigungsschutz noch um eine Reform des Flächentarifvertrags – um nur zwei viel diskutierte Reformthemen zu nennen. Ostdeutsche Sonderprobleme werden genauso wenig angesprochen wie eine bessere Koordination der Fiskal- und Lohnpolitik, die eine zentrale Voraussetzung für einen nachhaltigen Aufschwung ist. Klar ist: „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ werden das Problem der Massenarbeitslosigkeit in Deutschland nicht lösen – sie sind aber trotzdem überfällig.

Da das Thema so wichtig ist, sollte man sich auch nicht lange damit aufhalten, dass die wissenschaftlichen Grundlagen der Hartz-Vorschläge dünn sind. Bislang liegen 20 Seiten mit einer Vielzahl von Stichworten in Personalberaterdeutsch und 10 Grafiken vor. Es ist zu erwarten, dass auch das endgültige Gutachten nur simple Beispielrechnungen enthalten wird, nicht jedoch fundierte Modellrechnungen, die etwa Ausweichreaktionen und gesamtwirtschaftliche Kreislaufwirkungen berücksichtigen.

Die Kommission setzt auf zwei Basiskonzepte: stärkere finanzielle Anreize für Arbeitsuchende, sich einen neuen Job zu suchen und Angebote zu akzeptieren sowie eine bessere Arbeitsvermittlung. Beides ist im Grundsatz richtig, und deswegen sollten die Detailvorschläge intensiv diskutiert werden.

In den ersten drei Monaten soll, so schlägt Hartz vor, Arbeitslosengeld nur noch pauschal ausgezahlt werden. Einerseits würde dadurch das Geld schneller auf dem Konto eines Arbeitslosen landen als gegenwärtig, da zeitaufwändige Berechnungen vermieden würden. Andererseits würden sich viele jedoch schlechter stellen als jetzt. Einige müssten aufgrund einer zu niedrigen Pauschale sogar Sozialhilfe beantragen.

Befürworter werden argumentieren, dass dadurch der Anreiz gestärkt wird, das Arbeitslose sich rasch einen neuen Job suchen. In den ersten Monaten der Arbeitslosigkeit ist aber ein größerer Anreiz gar nicht nötig. Empirische Untersuchungen zeigen klar, dass der Schock der Arbeitslosigkeit so groß ist, dass Arbeitslose diesem Zustand rasch entkommen wollen. Erst nach einigen Monaten setzen Anreizprobleme ein. Dass der Anteil von Langzeitarbeitslosen in Deutschland so ungewöhnlich hoch ist, hat mit den langen Bezugszeiten des Arbeitslosengeldes zu tun. Deswegen ist es durchaus sinnvoll, nach drei oder sechs Monaten das Arbeitslosengeld zu senken. Im Gegenzug könnte die soziale Sicherungsfunktion des Arbeitslosengeldes sogar deutlich verbessert werden, indem es in den ersten Wochen erhöht wird. Eine pauschale Abschlagszahlung wäre dann sogar angebracht – weil nämlich die Bundesanstalt für Arbeit derzeit noch nicht in der Lage ist, das auszuzahlende Geld rasch zu berechnen: Das ist aber etwas anderes, als lediglich eine Pauschalsumme auszuzahlen, wie es Hartz vorschlägt.

Dänemark könnte ein Vorbild sein: Dort werden etwa 90 Prozent des letzten Nettolohns gezahlt, aber die Bezugsdauer ist viel kürzer und der Druck, einen Job zu akzeptieren, stärker als in Deutschland. Um das auch bei uns zu erreichen, sollte im Regelfall nach einem Jahr nur noch Arbeitslosenhilfe gezahlt werden.

Es sind aber beileibe nicht nur finanzielle Anreize, die Arbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt zurückbringen. Dazu gehört auch eine frühzeitige und gezielte Vermittlung von potenziellen Problemfällen. Mit dem JobAqtiv-Gesetz sind die Instrumente dafür bereits geschaffen worden. Die Hartz-Kommission will sie erweitern, insbesondere durch die Schaffung von Personal-Service-Agenturen (PSA). Die PSA sollen als „Zeitarbeitsunternehmen“ Arbeitslose einstellen und an „richtige“ Arbeitgeber ausleihen. Auf diese Weise tragen nicht mehr die Unternehmer das Risiko, einen ungeeigneten Arbeitslosen einzustellen, den sie aufgrund des Kündigungsschutzes nicht rasch wieder entlassen könnten.

Die Richtung der Kommission stimmt. Ihr größtes Manko ist jedoch: Sie schlägt nicht vor, wie die Bundesanstalt für Arbeit (BA) umzuorganisieren ist, damit Reformen wirklich umgesetzt werden können. Angesichts der Tatsache, dass Personal- und Unternehmensberater in der Kommission sitzen, ist dies ein schwerer Mangel.

Beispiele für Organisationsprobleme in der Bundesanstalt gibt es zuhauf. So müssen die Arbeitslosen seit langem Jobangebote akzeptieren, die früher als unzumutbar galten. Diese harten Regelungen werden jedoch von den einzelnen Arbeitsvermittlern kaum umgesetzt, da dies eine äußerst unangenehme Aufgabe ist. Wichtiger als eine gesetzliche Neuformulierung der „Zumutbarkeit“, wie dies die Hartz-Kommission vorschlägt, wären also praktische Vorschläge für Verwaltungsvorschriften, damit die vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten effektiv genutzt werden.

Trotz guter Ansätze könnte es passieren, dass nur einige populistische Vorschläge umgesetzt werden

Die Idee einer Chipkarte, auf der alle wesentlichen Informationen von Erwerbstätigen und Arbeitsuchenden gespeichert sind, ist völlig richtig (und datenschutzrechtlich zuverlässig zu regeln). Aber: Wie soll dieses Konzept zügig umgesetzt werden, angesichts der Probleme, die die BA mit ihrer Datenverarbeitung hat? Besonders in diesem Bereich hat sie sich schließlich seit Jahren als „reformunfähig“ erwiesen. Ein Chipkartensystem kann es erst dann geben, wenn eine Lösung für das Hard- und Softwareproblem gefunden worden ist.

Eine andere organisatorische Frage ist noch wichtiger (wenn auch von der Hartz-Kommision kaum beeinflussbar): Wie soll die Diskussion um die Vorschläge der Kommission so organisiert werden, dass sie – während des Wahlkampfs und danach – zu einem konstruktiven Ende findet? Die bisherige PR-Strategie von Peter Hartz und dem Bundeskanzleramt war offenkundig erfolgreich: Die Vorabveröffentlichung neuer Ideen hat die Kommission bekannt gemacht. Aber die jetzt laufende Bekanntmachung von ständig neuen Details birgt auch die Gefahr, dass aufgrund der vielen kritikwürdigen Einzelpunkte das ganze Vorhaben nicht zielgerichtet zu Ende geführt wird. Dann kann es passieren, dass nur einige populistische Vorschläge wie die Kürzung des Arbeitslosengeldes umgesetzt werden. Dadurch würde es nicht nur zu Sozialabbau kommen, sondern am Ende würde auch den 4 Millionen Arbeitslosen nicht zu Jobs verholfen. Um diese Fehlentwicklung zu verhindern, ist kluge Politik und Organisation gefragt.

GERT G. WAGNER

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