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Mediale Schmiermittel

Nach der Weltmeisterschaft immerhin noch Bundesliga: Die SPD-Kultur und Medien-Granden tummeln sich in Bremen. Da bleibt der Regionalpartei doch glatt die Schelte für ihr jüngstes medienpolitisches Meisterstück erspart: Die Novellierung des Radio-Bremen-Gesetzes

Keine vier Tage ist es her, da hatte die Worpsweder Music Hall einen illustren Gast mit anspruchsvollem Thema: Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin sprach über „Kulturpolitik national und regional“. Jetzt kam sein legislatives Gegenstück in die Bremer Galerie Rabus.

Monika Griefhahn ist Vorsitzende des Bundestags-Ausschusses für Kultur und Medien. Und als solche konnte sie von parteiübergreifender Zusammenarbeit berichten, die ihr als niedersächsische Umwelt- und Atomausstiegsministerin ziemlich fremd gewesen war. Jetzt aber Erfolge, zumindest Ansätze: Bundeskulturstiftung und auswärtige Kulturpolitik. Zwar bekomme Kultur meist nur „konsumtive“ (= streichbare) Mittel. Aber: Die Zeit der reinen Kultursparpolitik“ sei vorbei.

Wasser also auf Katrin Rabus‘ Mühlen, die als Gastgeberin (und Sprecherin der Kulturinitiative „Anstoß“) der bestens besuchten Veranstaltung die Erwartung ausgesprochen hatte, die „Schwesternkünste“ Kultur und Medien sollten keiner rein ökonomischen Bewertung unterworfen werden. Also: Funktionierende Medien seien als „Schmiermittel für das Selbstgespräch der Gesellschaft“ unerlässlich, jenseits von Quotenansprüchen.

Ebenfalls beklatscht: Bremens Ex-Staatsrat für Bundes- und Europaangelegenheiten, Erik Bettermann (SPD), Intendant der Deutschen Welle. Als prägende Erfahrung aus dem neuen Job brachte er mit: Deutschland sei zu sehr am eigenen Nabel und die hiesigen Inlands-Rundfunkanstalten zu einseitig an ihren Quoten orientiert.

Der dritte Bundesligist auf dem Podium: MdB Volker Kröning (SPD). Dessen Meriten: Stiftungsrechtnovellierung, Künstlersozialkasse – und die Organisation der Veranstaltung.

Interessant an dieser nicht ganz wahlkampffreien Veranstaltung war nicht zuletzt en passant Erwähntes. Etwa Krönings Bemerkung, die massiven Finanzeinschnitte bei Radio Bremen seien „noch ganz anders angedacht“ gewesen – die Reduzierung um 50 Millionen Mark bis 2006 insofern „immer noch ein hilfreiches Ergebnis“.

Oder der Verweis des RB-Intendanten Glässgen, dass es für das Nordwestradio keineswegs eine verbindliche Quotenvorgabe gäbe („drei Prozent wären sehr schön, aber die müssen wir nicht erreichen“). Einspruch aus dem Publikum: So gesehen hätte auch Radio Bremen Zwei noch weiter existieren können.

Aber was hätte man zum Thema: „Kultur und Medien – Was soll und leistet die Politik in Berlin und Bremen“ – bei der SPD erwartet? Richtig. Fast sah es so aus, als sollte die Partei ungeschoren davon kommen. Aber kurz vor Schluss nahm Ex-Bildungs- und Kultursenator Horst v. Hassel das Wort „Nacht-und-Nebel-Radio-Bremen-Gesetzesnovellierung“ doch noch in den Mund.

So stand es im Raum, das jüngste Bubenstück der großen Koalition: Ein Gesetz mit mehrdeutigen Formulierungen über parteipolitische Einflussnahme auf die Wahlkampfberichterstattung der RB-Redaktionen, Wiedereinführung von Wahlwerbung, Einschränkung der betrieblichen Mitbestimmung, Rausschmiss der Journalistenverbände aus dem Rundfunkrat – und das alles ohne Vorlaufzeit und Anhörung von Betroffenen im Schnellverfahren durchgedrückt. Aber: Keine Reaktion auf dem Podium.

Henning Bleyl

Am 5. August kommt Nida-Rümelin auf Einladung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages in den Schütting. Das Thema: „Neue Verantwortungspartnerschaft zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik“. Die Veranstaltung ist halböffentlich (auf Einladung) und beginnt um 17.30 Uhr

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