APARTHEID IST JÜNGER ALS NATIONALSOZIALISMUS: Schnell vergessene Verwüstungen
Es ist noch gar nicht so lange her, da war die südafrikanische Apartheid in den westlichen Demokratien durchaus salonfähig. Konservative Politiker in den USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich stützten die weißen Rassisten in Pretoria und rüsteten sie auf als Kämpfer gegen den Weltkommunismus. Angola, Namibia, Mosambik und Südafrika waren in den 80er-Jahren die heißen Fronten des Kalten Krieges, deren Gesellschaften im Namen der Freiheit verwüstet wurden. Wie es der schwarzen Bevölkerung dieser Länder ging, war nebensächlich. Erst ab 1990 endeten Ost-West-Konflikt und schwarz-weiße Stellvertreterkriege. Das Engagement mündete in Desinteresse.
Es ist noch gar nicht so lange her, und doch ist dieses schändliche Kapitel der Geschichte aus der politischen Diskussion Deutschlands und Europas so gut wie ausgelöscht. Wer würde den moderaten Edmund Stoiber im Wahlkampf daran erinnern wollen, welche fanatischen Rassisten seine CSU noch vor 20 Jahren hofierte? Wer will den aufrechten Antiterrorkriegern um George Bush ins Gedächtnis rufen, welche skrupellosen Terroristen damals aus Washington Schützenhilfe erhielten? Der politische Diskurs des Westens ist von den Schattenseiten der europäischen Geschichte im südlichen Afrika völlig unberührt geblieben. Zugleich sorgt man sich über das Aufkommen von Aids und Hunger, Gewalt und Diktatur, so als hätten die Menschen dieser Länder erst jetzt Freiheit, Demokratie und Wohlstand verloren. Man spricht über gesellschaftlichen Zerfall und politischen Niedergang und denkt, das sei etwas Neues.
Nun haben Opfer der Apartheid deutsche Unternehmen auf Entschädigung verklagt. Die Klage an sich steht auf wackligen Füßen. Aber für Deutschland müsste sie ein Anlass sein, sich für Schicksale zu interessieren, die den deutschen Vergangenheitsbewältigern viel weniger präsent sind als zum Beispiel das viel ältere Leiden der Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg. Der Nationalsozialismus war schließlich auch die Wurzel der Apartheid-Ideologie, aus deren Schatten Afrika noch lange nicht herausgetreten ist. DOMINIC JOHNSON
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