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Skandaläußerungen mit fatalen Konsequenzen

Der italienische Innenminister Claudio Scajola tritt zurück. Damit verliert Premier Berlusconi eine wichtige Figur in seinem Machtgefüge

ROM taz ■ Nach seinen skandalösen Äußerungen über das Terroropfer Marco Biagi zog Italiens Innenminister Claudio Scajola gestern die Konsequenzen und erklärte seinen Rücktritt. Damit fand eine mehrtägige makabre Politikposse ihr vorläufiges Ende, die ihren Anfang am vergangenen Freitag mit der Publizierung einiger Schreiben des im März durch die Roten Brigaden ermordeten Biagi durch die römische Tageszeitung La Repubblica genommen hatte.

Biagi hatte sich im letzten Jahr öfter an führende Politiker – unter anderem an den Arbeitsminister und den Parlamentspräsidenten – gewandt und auf die hohe Gefährdung hingewiesen, der er sich aufgrund seiner Tätigkeit als Berater des Arbeitsministeriums in Fragen der Arbeitsmarktreform ausgesetzt sah. Obwohl der Professor auf den Präzedenzfall Massimo D’Antonas hingewiesen – der in gleicher Funktion für die Vorgänger-Regierung tätige Arbeitsrechtler war im Mai 1999 zum Terroropfer geworden war – und Drohanrufe akribisch aufgezählt hatte, wurde ihm 2001 Zug um Zug der Personenschutz entzogen.

Statt aber Auskunft zu geben über die Versäumnisse des Innenministeriums oder auch nur ein Wort zu verlieren über die erfolglose Fahndung der Polizei, zog es der durch das Auftauchen der Biagi-Briefe genervte Minister am Samstag vor, das Opfer zu beschimpfen. Eine „Nervensäge“ sei Biagi gewesen, dem es nur darum gegangen sei, „eine Verlängerung seines Beratervertrags zu erreichen“. Ein Fehlverhalten seines Hauses mochte der selbst rund um die Uhr bewachte Scajola nicht erblicken: „Wenn wir ihm Personenschutz gewährt hätten, hätten wir jetzt drei statt ein Opfer zu beklagen.“

Scajola war unhaltbar geworden, doch Berlusconi probierte bis gestern das Unmögliche. Eine laue Entschuldigung und ein von ihm abgelehntes Rücktrittsangebot Scajolas sollten die Krise bereinigen. Ansonsten hagelte es die gewohnten Erklärungen, die Scajola-Worte seien „aus dem Zusammenhang gerissen“ und „instrumentalisiert“ worden.

Berlusconi hatte guten Grund für diese Strategie: Scajola ist einer seiner mächtigsten Mitarbeiter. Er hatte die Plastikpartei Forza Italia in eine landesweit verankerte Organisation verwandelt. Er war eigentlich unverzichtbar in Berlusconis Machttableau und hatte daher nicht nur den Skandal um die Polizeieinsätze während des G-8-Gipfels in Genua überlebt, sondern auch seine Monate später abgegebene Erklärung, er selbst habe damals „Schießbefehl erteilt“.

Vor der für gestern Nachmittag angesetzten Parlamentsdebatte über den Minister aber zeigte sich, dass mit Gianfranco Finis Postfaschisten der wichtigste Koalitionspartner auf Distanz ging. Verheerende Umfragen und ein Sturm der Kritik auch in Berlusconis Forza Italia besorgten den Rest. Scajolas Rücktritt ist aber kein Grund für Italiens Linke, in Freude auszubrechen. Als Nachfolgekandidat wird Vizepremier Gianfranco Fini gehandelt. Er wird womöglich das Innenressort genauso „ad interim“ übernehmen, wie Berlusconi seit Januar das Außenministerium leitet.

MICHAEL BRAUN

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