piwik no script img

„Verfolgt wie Verbrecher“

Graffiti-Sprayer begehen keine Straftat und sollten nur „tatangemessen“ zur Rechenschaft gezogen werden, sagt Sozialarbeiterin Barbara Uduwerella

„Die Stadt verliert im Umgang mit jugendlichen Sprayern jegliches Maß“, warnt Barbara Uduwerella vom „Hip Hop Hamburg“-Projekt im Schanzenviertel.

Der Umweltsenator errichtet als eine seiner ersten Taten eine Hotline für Graffiti-Opfer ein, Hausbesitzer bekommen bis zu 4000 Euro, wenn sie ihre Mauern Graffiti sicher machen und nun wendet die Hamburger Polizei auch noch DNA-Tests an, um jugendliche Sprayer zu überführen. „Sie werden verfolgt wie Schwerverbrecher“, klagt die in der Szene weit über Hamburg bekannte Sozialarbeiterin. Dabei stehe Aufwand und Kosten, die Polizei und Justiz betrieben, in keinem Verhältnis zu dem tatsächlichen Schaden. Uduwerella: „Wir hatten einen Prozess um einen Fleck, den wir mit Spüli weggemacht haben.“ Dabei könne eine Fachfirma eine Fassade schon ab 12 Euro pro Quadratmeter reinigen. Die Schadensforderungen, mit denen ihre Schützlinge überzogen würden, gingen jedoch „in die Zigtausende“, so dass mancher wegen seiner Schulden ins Ausland flüchtet.

In einem aktuellen Fall hatte die Hamburger Polizei die Speichelprobe eines Verdächtigen mit Spuren am „Tatort“ verglichen. Diese Methode, so Uduwurella, hätten Städte wie Stuttgart schon vor Jahren angewandt und die Sprayer zu Gegenstrategien motiviert: „Die sagen, da weiß ich ja, wie ich meinen Feind reinlegen kann. Ich muss nur seinen Handschuh am Tatort liegen lassen.“ Letztlich würden Utensilien wie Handschuhe, Mützen und Dosen so oft vertauscht, dass auch DNA-Tests zu falschen Verdächtigungen führen könnten.

Für die Pädagogin ist Sprayen jugendliche Ausdrucksform und die Suche nach Grenzerfahrung, der die Gesellschaft nicht durch Kuschelpädagogik, sondern „tatangemessen“ begegnen sollte. Beispielsweise durch Abstottern der tatsächlichen Reinigungskosten, wie sie die günstigsten Firmen anbieten.

Voraussetzung für eine strafrechtliche Verfolgung sei jedoch, dass das Sprühen auch eine Straftat ist. Aber dies, so habe der Bundesgerichtshof entschieden, sei nur der Fall, wenn ein Gegenstand unbrauchbar wurde oder eine „erhebliche Substanzverletzung“ vorliegt. Uduwerella: „Das heißt, man muss die Schädigung auch nach der Reinigung erkennen. An den meisten Häuserwänden ist das nicht der Fall.“ Lasse sich der Schaden jedoch beheben, handle es sich nur um eine Ordnungswidrigkeit.

Uduwerella, die gerade erst im Bundestag als Expertin zu diesem Thema gehört wurde, hat jährlich bis zu 2000 Anfragen von Kindern und Eltern. Ihr Projekt vermittelt Kontakte zu Anwälten und gibt Hilfe bei der Wiedergutmachung. Doch während die Umweltbehörde 500.000 Euro für Fassadenschutz verteilt, wurde der 86.000 Euro-Etat für ihre Arbeit gerade erst um 16.000 Euro gekürzt. KAIJA KUTTER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen