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Unerwünschte Badegäste

Rund 200 Demonstranten protestieren vor dem Kreuzberger Prinzenbad gegen die hohen Eintrittspreise. Bei Rangeleien mit Polizei und Wachschützern werden mehrere Personen verletzt

von HEIKE KLEFFNER

Der Bademeister spricht nicht, er brüllt. „Asoziales Pack, raus hier!“ Hinter ihm stehen PolizistInnen in kurzärmligen Uniformen. Daneben die badeigene Wachmannschaft. Und davor rund 200 Demonstranten. Auf Transparenten fordern sie „Gratis Schwimmbad für alle“ oder „Zieht dem Senator die Badehose aus“.

Punkt 14 Uhr hat sich am Samstag der Vorplatz vor dem Eingang zum Kreuzberger Prinzenbad bevölkert. Reggae beschallt Passanten aus knackenden Boxen. Ein Campingzelt wird aufgeschlagen, ein Planschbecken aus mitgebrachten Flaschen gefüllt. Kinder füllen Wasserballons.

Eine Besucherin aus der Schweizer Hauptstadt kommentiert kopfschüttelnd den Preis von 4 Euro für Erwachsene: „In Bern sind alle Freibäder umsonst, und wer das ändern wollte, würde wahrscheinlich die erste und einzige Revolution in der Schweiz auslösen.“ Eine Revolution ist es nicht, was sich da vor dem Prinzenbad zur wahlweise als „Freier Eintritt für alle“ oder „Sturm der Autonomen auf das Schwimmbad“ angekündigten Kundgebung zusammenballt. Eher ein zunächst relaxtes Sommersonnenbaden mit Plausch, Parolen, Miniröcken und Badehosen.

Bis dann das Wasser lockt, und die Schlange vor dem Kassenhäuschen immer länger wird. Da haben die Kassiererinnen längst das Mikrofon hinter der bruchsicheren Glasscheibe ausgeschaltet. Das heruntergelassene Rollo neben den umstritteten Preisforderungen signalisiert: Heute für niemand Eintritt.

Und so trennt die rund 200 Menschen, die inzwischen den Platz vor dem Freibad füllen, nur noch ein Hechtsprung über die Drehkreuze vom Kopfsprung in die Fluten. Ganz diszipliniert stellt man sich dafür an. Zwei Dutzend Fans der „Frei Schwimm AG“ schaffen es, an den Hütern der Bäderordnung vorbeizusprinten, und verschwinden lachend zwischen Pommes essenden Teenagern. Dann werfen Polizisten einen Mann zu Boden. Empörte Badegäste berichten, die Beamten hätten dem Mann in die Nase gegriffen, ihm den Kopf „ganz unnatürlich“ verdreht und ihn in Handschellen abgefürt. Derweil greifen Securitymänner zu Schlagstöcken und Taschenlampen, die auf nackte Arme knallen. Die Mehrheit der „Freischwimmer“ lässt sich zurückdrängen auf den Vorplatz. Augenzeugen berichten, Wachschützer hätten einen weiteren Mann zusammengeschlagen, der über den Gitterzaun ins Freibad klettern wollte. Die Polizei weiß hingegen von einem Wachschützer, der durch einen Messerstich verletzt worden sei.

Familienväter diskutieren derweil friedlich mit Flugblattverteilerinnen. „Früher sind wir am Wochenende fast jeden Tag hierher gekommen“, sagt ein 45-Jähriger, dessen Urlaub dieses Jahr ausfällt: „Arbeitslos.“ Für seine beiden schulpflichtigen Kinder hat er den Ferienpass für 9 Euro gekauft: „Das ist noch bezahlbar, aber wenn meine Frau und ich jedes Mal 8 Euro bezahlen müssen, um sie zu begleiten, ist das auf die Dauer nicht machbar.“ Zustimmendes Nicken erntet eine Kreuzberger Lehrerin: „Statt Millionen fürs Stadtschloss zu verschleudern, sollten die Politiker erst mal den Kindern bezahlbaren Sommerspass ermöglichen.“

Dann übertönt eine Lautsprecherdurchsage das Stimmengewirr. Der Vorplatz sei zu räumen, denn der gehöre auch den Bäder-Betrieben und die betrachteten Menschenansammlungen auf ihrem Territorium heute als „Hausfriedensbruch“. Die Freischwimmer rufen: „Wir kommen wieder!“ Der Bademeister schließt das Tor auf, vor dem niemand mehr steht.

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