: Slalomlaufen für den Pass
Kampf ums Papier: Jeder Ausländer braucht einen Pass, sagt das Ausländeramt. Braucht er nicht, sagt die Sozialbehörde – und verweigert einem aufenthaltsberechtigten Kongolesen die Fahrtkosten zur Botschaft. Dabei würde der Mann gerne arbeiten
Einen Pass zu verlieren oder auf einem ausgelaufenen Modell im Ausland festzusitzen ist unangenehm. Wenn dann noch das nötige Kleingeld fehlt, erschwert das die Lage. Doch die Not ist steigerungsfähig. Wie, das erleben derzeit offenbar passlose AusländerInnen in Bremen.
In der Hansestadt können internationale PassverliererInnen mit allerhand rechnen. Verwirrende Amtsschreiben in schwierigem Behördendeutsch sind das Geringste. Es kommt auch vor, dass sie – trotz zweifelsfreier Aufenthaltsberechtigung und also völlig abwegig – mit der Kürzung der Sozialhilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bedroht werden, sollten sie sich keinen Pass beschaffen. Doch auch, wer alles versteht und beim Sozialamt um einen Zuschuss für Passgebühr und Fahrtkosen zur ausländischen Botschaft bittet, ist noch weit vom Ziel.
Jüngstes Beispiel ist ein 27-jähriger Kongolese. Der sorgeberechtigte Vater zweier deutscher Kinder steckt seit Monaten in der Klemme zwischen Sozialbehörde und Ausländeramt, nachdem sein Pass nicht mehr gilt.
„Wir bitten Sie, sich sofort um die Ausstellung eines Passes zu bemühen“, schrieb das Ausländeramt dem Kongolesen im April. „Jeder Ausländer muss sich nach Artikel 4 des Ausländergesetzes mit einem Pass ausweisen können“, bekräftigt der zuständige Sprecher der Innenbehörde die Richtigkeit des Verfahrens – an dem der Kongolese nichts auszusetzen hat. Er selbst will einen Pass, der ihm die Arbeitssuche erleichtern soll. Auch Arbeitsamtssprecher Jörg Nowag schätzt: „Als offiziellstes aller Dokumente vertrauen Arbeitgeber bei Ausländern wohl am ehesten auf den Pass.“ Doch seit Monaten läuft der Kongolese beim Sozialamt gegen eine Wand – obwohl Ausländeramt und Anwalt dem Mittellosen genau diese Anlaufstelle empfehlen.
„Von seiner Sozialhilfe kann mein Mandant doch nicht mal eben ein paar hundert Euro für die Fahrt zur Botschaft nach Bonn und nochmal eine runde Summe für die Passausstellung zahlen“, sagt Rechtsanwalt Jan Sürig. Das Sozialamt müsse eine „einmalige Beihilfe“ gewähren. Von dieser Möglichkeit geht auch das Ausländeramt aus. Es informiert per Textbaustein: „Sofern Sie über die notwendigen Finanzmittel nicht verfügen, sprechen Sie beim Amt für Soziale Dienste vor, damit Ihnen ggf. eine Fahrkarte und die Gebühr für die Ausstellung des Passpapieres gewährt werden kann.“ Doch da gab es für den Kongolesen keinen Pfennig.
Sein Anwalt glaubt zu wissen, warum. „Mir wurde gesagt, es gebe eine interne Anweisung, solche Anfragen auf Unterstützung abzulehnen“, sagt Sürig. Ein solches Verhalten der Sozialbehörde sei höchst widersinnig. „Die Behörde könnte doch Geld sparen, wenn mein Mandant Arbeit fände.“ Das aber gelinge nur mit Pass. Darüber hinaus sei die Sozialbehörde aber nach dem Bundessozialhilfegesetz verpflichtet, derartige Kosten für Mittellose zu übernehmen. Was sein Mandant erlebe, sei mehr als ärgerlich.
Tatsächlich gibt es zwischen den Behörden offenbar keine Absprache. Während die Ausländerbehörde auf der Passbeschaffung besteht, heißt es in der Sozialbehörde: „Ein Ausländer braucht keinen Pass.“ Die ersatzweise ausgestellten Dokumente mit Bild und der Nachweis über Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung reichten völlig aus.
Anwalt Sürig fordert nun einen gerichtsfähigen schriftlichen Bescheid über die Ablehnung der Hilfe für seinen Mandanten. Im Zweifel werde er prozessieren. ede
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