: Ohne Rechte
Dem Jugendvollzug fehlt die gesetzliche Grundlage / Kritiker: Verfassungswidrig
Der Druck auf das Bundesjustizministerium wächst. „Wir brauchen dringend ein Jugendvollzugsgesetz“, fordern jetzt deutsche Jugendrichter, unter ihnen auch der Bremer Bernward Garthaus. Jüngst ist er von einer bundesweiten Tagung zurückgekehrt, wo der x-te Vorstoß deutscher Jugendrichter in dieser Sache bekannt wurde: Per Verfassungsklage will nun ein Kollege von Garthaus im niedersächsischen Rinteln das Jugendvollzugsgesetz erzwingen.
Schon jetzt weist der Rintelner Rebell unter Hinweis auf die verfassungswidrige Situation jugendliche Straftäter nicht mehr in den Jugendknast ein. So weit sind Bremer Jugendrichter noch nie gegangen. Ihr Protest gegen den Jugendvollzug richtete sich in der Vergangenheit vor allem gegen Mängel im Bereich Erziehung, Betreuung und Freizeitgestaltung im Knast. Dennoch lässt auch Jugendrichter Garthaus keinen Zweifel: „Ein Jugendvollzugsgesetz würde in vielen Punkten für mehr Klarheit sorgen.“ Die Rechte aller Seiten, darunter also auch die Widerspruchsrechte der jungen Gefangenen, würden damit klarer geregelt.
So sieht es auch die Sprecherin der Justizbehörde, Lisa Lutzebäck. „Die Länder haben eine solche Grundlage für den Jugendvollzug immer gefordert.“ Doch auch die im vergangenen Jahr vom Bundesjustizministerium eingesetzte Expertenkommission habe bislang noch keine Ergebnisse vorgelegt.
Unterdessen wird die Debatte um ein Jugendvollzugsgesetz auch aus der Bremer Universität befeuert. Dort bereitet dazu das Bremer Institut für Kriminalpolitik jetzt einen Workshop unter dem Titel „Wege aus der Gesetzlosigkeit“ vor. Zwar fehle es dem Jugendvollzug in Bremen nicht nur an einem Gesetz, heißt es. Doch würde auch über diesen Mangel oft geklagt. Zugleich räumt einer von drei Organisatoren der im September geplanten Tagung, Dr. Kai Bammann, vorsichtig ein, es sei fraglich, ob das gegenwärtige justizpolitische Klima günstig sei, damit ein solches Gesetz zufriedenstellend ausfalle. Eine von mehreren Befürchtungen: „Der Erziehungsgedanke könnte weiter zurückgedrängt werden.“ Oder andersherum: „Unter Verweis auf den Erziehungsauftrag könnte eine Art Generalklausel abgefasst werden“ – die Anstaltsleitungen viel Einfluss geben könnte. ede
Der Workshop „Wege aus der Gesetzlosigkeit“ zum Jugendstrafvollzug findet am Freitag, den 13. September von 10 bis 18 Uhr in der Universität statt. Kontakt: 218-77 85 oder pollaehne@uni-bremen.de
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