NEUE FRIEDENSINITIATIVE IST FERN DER REALITÄT IM NAHEN OSTEN: Ohne Arafat geht gar nichts
Die vier Vertreter der weltweit wichtigsten Staaten und Staatenverbände, die diese Woche in New York über die Zukunft des Nahen Ostens verhandeln, schieben sich gegenseitig die Stiche zu, während der entscheidende Trumpf in den Händen eines Mannes ist, der noch gar nicht ans Spiel kam.
Ohne die Kooperation von Palästinenserführer Jassir Arafat wird die geplante internationale „Task-Force“, die am Aufbau effektiverer Regierungsinstitutionen im Gaza-Streifen und Westjordanland helfen soll, ihre Mission kaum erfüllen. Über humanitäre Hilfe wurde entschieden – für die Palästinenser, die seit Wochen unter Ausgangssperren verharren, bedeutet das nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Ihnen hülfe allein eine Aufhebung der Reisesperren, die einem Arbeitsverbot gleichkommen und die die Armutsrate in den vergangenen Wochen auf über 50 Prozent steigen ließen. UN-Generalsekretär Kofi Annan rief im Namen der Viererrunde Israel dazu auf, die Truppen zu den Stützpunkten vom Herbst 2000 zurückzuziehen. Doch dieser Appell wird angesichts des Terrors auf taube Ohren stoßen. Die klugen Männer, die sich im feinsten Hotel von Manhattan die Köpfe zerbrechen, sind von der Realität des Nahen Ostens abgekoppelt.
Annan fordert, die Israelis müssten den Palästinensern die Millionen Dollar an Steuergeldern zurückzahlen, die sie ihnen schulden. Doch wohin sollten sie das Geld überweisen? Noch hat Arafat, der den Terror auch mit internationalen Spendengeldern finanzierte, die Kontrolle über die Konten. Und mit wem sollte man über Sicherheitskooperationen verhandeln? Im Westjordanland herrscht nach der Entlassung von Sicherheitschef Radschub ein Führungsvakuum. Radschubs Amtskollege im Gaza-Streifen, Mohammad Dahlan, ist seit Wochen auf Reisen. Sein Nachfolger wird wegen Anstiftung zu gewaltsamen Übergriffen von Israel gesucht. Unverändert lernunwillig rufen die Amerikaner zur Ablösung der Führung in den Autonomiegebieten auf und erreichen genau das Gegenteil. Je lauter das westliche Ausland gegen Arafat wettert, desto stärker hält sein Volk zu ihm. SUSANNE KNAUL
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