: Die Südsee liegt im Teufelsmoor
„Schamaika“ lockt unentschlossene Bremer WochenendurlauberInnen mit Ferienhäusern und Kulturprogramm ins Teufelsmoor. Menschen mit und ohne Behinderung haben sich und ihren Gästen diese Oase gebaut
Aufgeregt gackern die Hennen, als vor ihrem Gehege verschlafene Camper aus den Zelten kriechen. Ein paar Meter weiter wagen sich wacklig Kanuten auf die Hamme, während ein paar Kinder schon in der Scheune herumtollen und darauf warten, dass sie endlich aufs Trampolin springen können.
Tief im Teufelsmoor, weit abseits des Künstlerdorfs Worpswede liegt diese kleine Oase namens Schamaika. Mit Restaurant und Ferienchalets, Streichelzoo und Campingplatz, Kanuhafen und Schlafscheune und zahlreichen Freizeitangeboten hat Erwin Bienewald in Eigenarbeit ein besonderes Urlaubsziel geschaffen. Schamaika heißt es, und alternativ ist es – nicht nur, weil hier etwa 30 behinderte Menschen wohnen und arbeiten. Bienewald und seine Helfer haben die Gebäude selbst gezimmert, Gemüse und Obst stammen aus dem eigenen Garten.
Eigentlich wollte Bienewald mit seiner Gruppe auf Jamaika Urlaub machen. Als Bienewald dann ein Restaurant eröffnen wollte und einer der Betreuten bei der Besichtigung des alten Hauses „Schamaika“ an die Wand schrieb, beschloss die Gruppe kurzerhand, ihre eigene Südseeinsel zu gründen – und der Name stand fest. Schamaika fügt sich gut ein in die Tradition der Kneipennamen: Die nächstgelegene heißt Neu-Helgoland, danach kommt Neu-Kamerun.
Erwin Bienewalds soziales Engagement begann vor etwa 15 Jahren, als er Bremer Punks zu Wohnungen verhalf. Vor zehn Jahren gründete er den Verein KLiCK. Heute betreut der Verein 60 behinderte Frauen und Männer. Und einige von ihnen arbeiten auf eben auch auf Schamaika.
Doch auch ohne Vier-Sterne-Komfort kann sich eine vierköpfige Familie kaum beklagen: 50 Euro kostet sie eine Übernachtung, Toilette, Kochnische und Dusche im Häuschen inklusive. Nur naturverbundene Heuschläfer und die Camper dürfen auf dem Weg zur Nasszelle das noch nicht fertige Gemüsebeet und Tiergehege besichtigen. Urlauber ohne Küchenkompetenz müssen sich nicht von den verbrannten Ergebnissen ihrer Kochversuche ernähren. Dafür gibt es im größten schamaikanischen Gebäude das Gasthaus.
Langweilig dürfte der Urlaub mitten im Grünen nicht werden. Vom Hammeufer aus nehmen die Schamaikaner ihre Gäste mit ins Teufelsmoor oder auf eine Torfkahnfahrt. Wer das Ruder lieber selbst in der Hand hält, kann sich im Kanufahren versuchen. Hier gebe es kaum Strömung, sagt Bienewald. Profis „fahren in zwei Tagen bis in den Bürgerpark. Wir holen die Kanus dann wieder ab“, verspricht er.
Landratten müssen aber auch nicht verzagen: In der frisch renovierten Scheune finden sie Tischtennisplatte und Kickertisch, die auch beim Sommergewitter Spaß machen. Für mehr Bewegung steht ein großes Trampolin parat.
Wer eher kulturell interessiert ist, sollte und am 25. August nach Schamaika kommen: Nachmittags um drei spielt ein Bremer Behinderten-Orchester Mozart, irische und schottische Musik. Ende Oktober gastieren mitten im Teufelsmoor italienische Straßenmusiker, die – ganz schamaikanisch – selbstgemachtes Olivenöl und Wein mitbringen. Mit Glück erleben Urlauber während ihres Aufenthalts auch die schamaikanische Sambagruppe „Krawallos“, bei der behinderte und nicht-behinderte Menschen gemeinsam musizieren. Einer der Betreuten macht sogar als Rapper Furore. Wenn er sich die Ehre gebe, könne es sein, dass er gar nicht mehr aufhören will, sagt Bienewald. Gut möglich, dass es den Gästen mit ihrem Schamaika-Urlaub genauso geht. Sebastian Kretz
Gasthaus Schamaika, Teufelsmoorstraße 33, Osterholz-Scharmbeck, ☎ (0479) 95 18 77, geöffnet von 10 bis 23 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen