: Stoibers Lehrplan
Unionskandidat schwenkt rhetorisch auf Kanzlerkurs Ganztagsschule – und festigt mit auserwählten Rektoren sein konservatives Bildungsprofil
BERLIN taz ■ Der Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber (CSU), ist gestern in der Schulpolitik auf den Kurs der Bundesregierung eingeschwenkt. Der Ministerpräsident Bayerns sagte vor Schulleitern, seine Regierung wolle „die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern“ – dazu sei „die Weiterentwicklung von Ganztagsschulen“ nötig. Bislang hatten die unionsregierten Länder, allen voran Bayern, den Plan des Kanzlers verhalten bis kritisch aufgenommen, Ganztagsschulen mittels eines Milliardenprogramms auszubauen.
Auch die Kultusministerkonferenz (KMK), die bislang unter dem besonderen Schutz Bayerns stand, muss sich laut Stoiber künftig „auf das unumgänglich Notwendige beschränken“. Stoibers Kontrahent Gerhard Schröder (SPD) war schon vor Wochen auf Distanz zur KMK gegangen.
Schröder hatte dem Gremium von Landesministern, das übergeordnete Schulfragen stets einstimmig beschließen muss, die Fähigkeit abgesprochen, das Land „aus der internationalen Zweitklassigkeit herauszuführen“. Gegen dieses Misstrauen protestierten die Unions-Ministerpräsidenten gestern. „Ihr pauschales Urteil über die Leistungen unserer Schulen … weisen wir zurück“, schrieben die Länderfürsten dem Kanzler.
Auch Stoibers Kursschwenk scheint eher ein rhetorischer zu sein. Während er vor der Presse die soziale Verantwortung der Schulen betonte, festigte er hinter verschlossenen Türen einen konservativeren Weg in der Schulpolitik. Es gehe darum, hieß es, mehr Leistung von den Schülern einzufordern – das schaffe sozialen Ausgleich. Stoiber hatte sich rund 50 handverlesene Rektoren aus ganz Deutschland nach Berlin eingeladen.
Das Resümee der Schulleiter war laut Stoiber, dass die Lehrer „Kinder wieder mit der notwendigen Autorität auf den richtigen Weg“ bringen müssten. Empörung rief unter den Rektoren hervor, dass in Nordrhein-Westfalen auch 14-Jährige die Schulkonferenzen leiten dürften. Das missfiel namentlich den bayerischen Schulchefs. Kein Wunder – aus dem Süden waren fast nur Funktionäre wie der Chef des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, angereist. CIF
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