Börsen gehen ab

Die WorldCom-Insolvenz erschüttert vor allem die deutschen Aktienmärkte. Zeitweise fällt der DAX auf den tiefsten Stand seit November 1997

von BEATE WILLMS

Wie schon so oft in den letzten Monaten war ein Spruch bei den Analysten und Börsenexperten gestern wieder der beliebteste: „Die Börsenwerte gehen definitiv wieder nach oben. Aber fragen Sie bitte nicht, wann.“ Dabei hatte es zunächst so ausgesehen, als hätten sich die Finanzmärkte nach den dramatischen Verlusten vom Montag zumindest gefangen. Zumal die asiatischen Börsen mit leichten Gewinnen motivierende Vorgaben geliefert hatten. Aber der Deutsche Aktienindex DAX raste nach einem guten Start wieder abwärts. Zwischenzeitlich fiel er mit 3.534,58 Zählern unter das Tagestief des von Kriegsängsten geprägten 21. September 2001 – und damit auf den tiefsten Stand seit Anfang November 1997. Um 18 Uhr lag er mit gut 3 Prozent im Minus.

Am Montag hatte der Insolvenzantrag des US-Telekommunikationskonzerns WorldCom weltweit für einen kleinen Börsencrash gesorgt. Der amerikanische Industrieindex Dow Jones war um fast 3 Prozent auf 7.784 Punkte gefallen, den tiefsten Stand seit Oktober 1998. Seit dem 7. Mai, als klar wurde, dass die Bilanzfälschungen beim Energiekonzern Enron kein Einzelfall waren, hat er damit rund 18 Prozent verloren. Der Technologieindex Nasdaq hatte mit 1.282 Zählern so schlecht notiert wie seit Mai 1997 nicht mehr. Das bedeutet, dass die gesamten Gewinne des Dot.Com-Hypes inzwischen wieder zunichte gemacht wurden. Am schlechtesten ergangen war es aber auch da schon dem DAX, der um 5,15 Prozent auf 3.691 Zähler herunterkrachte.

„Die Luft ist noch nicht raus aus der Spekulationsblase“, sagte der Bremer Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel der taz. Lege man die Gewinn-Kurs-Verhältnisse zugrunde, gebe es an den internationalen Aktienmärkten noch „einen Spielraum von vielleicht 20 bis 30 Prozent nach unten“. Die Börsen befänden sich derzeit in einem Suchprozess, der sich allerdings langsam seinem Ende nähere. „Ein halbes Jahr Unsicherheit“ müsse man aber noch aushalten. Entscheidend werde, wie in den vergangenen Jahren, die Entwicklung im Oktober sein. „Erst danach wissen wir mehr.“

Dass vor allem die deutschen Börsen so stark reagierten, führte Hickel auf drei Gründe zurück: Erstens falle die Krise im Telekommunikationsbereich als „Folgewirkung der UMTS-Milliarden“, also der Verschuldung der Konzerne zum Ankauf der Lizenzen für die Mobilfunktechnologie, besonders stark aus. Zweitens hätten in den deutschen Indizes Branchen mit absehbar schwachen Gewinnerwartungen für die nächsten Jahre wie die Automobilbranche oder Finanzwerte ein relativ hohes Gewicht. Und drittens „kommt die Ökonomie in Deutschland einfach nicht auf die Beine“.