piwik no script img

Die Allzweckwaffe

Hunzinger hat für Rüstungsunternehmen nicht nur PR gemacht. Er saß dort auch in Aufsichtsräten

von STEFAN KUZMANY

Der Mann sucht verzweifelt nach Information. „Ich bin um jede noch so kleine Nachricht oder Notiz dankbar“, schreibt der Waffenfreund mit dem Internet-Namen „Ermagun“ auf seiner Homepage. Ob er gewusst habe, fragt „Ermagun“ den Leser, dass die Firma „Erma“ einmal eine der wichtigsten Waffenfabriken Deutschlands gewesen sei? Leider sei über das Rüstungsunternehmen nur sehr wenig in Erfahrung zu bringen: „Obwohl die Wurzeln der Firma bis ins Jahr 1924 zurückreichen, haben Verlegungen des Firmensitzes und zahlreiche interne Umstrukturierungen, vor allem in den letzen Jahren dazu geführt, dass nicht mehr allzu viel von der Firmengeschichte vorhanden ist bzw. gar nicht erst dokumentiert wurde.“ „Ermagun“ zieht ein enttäuschtes Fazit. „Unterlagen über die Firma“ seien „fast nicht aufzutreiben bzw. wurden nach Firmenende gänzlich und gründlich vernichtet“.

Nicht ganz. Der taz liegen Unterlagen vor, die dokumentieren, dass am Ende der Erma-Waffenfabrik ein Mann steht, dessen Umtriebe Politikern aller Couleur derzeit große Sorgen bereiten. Niemand will dieser Tage mit Moritz Hunzinger (43) in einem Atemzug genannt werden, dem Kontakthändler und Rüstungslobbyisten aus Frankfurt.

Zum Beispiel Friedrich Merz, der Fraktionschef der CDU/CSU im Deutschen Bundestag. Der Stern berichtet in seiner heutigen Ausgabe, das CDU-Mitglied Hunzinger habe den damals für die CDU im Europaparlament sitzenden Merz im Jahre 1993 eingeschaltet, um für zwei Spitzenmanager von Rüstungsfirmen einen gemeinsamen Gesprächstermin beim damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) zu erhalten. Bei den Industriellen handelt es sich dem Bericht zufolge um Eckard Rohkamm, Vorstandschef der Thyssen Industrie AG, und Peter Beer, Vorstandschef der Werft Blohm + Voss. Der Stern veröffentlicht dazu einen Brief Hunzingers an die beiden Manager vom 24. Februar 1993, in dem es heißt: „Der CDU-Europaabgeordnete Friedrich Merz, der meine Arbeit freundschaftlich begleitet und fördert, unterstützt dieses Vorhaben wertvoll.“ In dem Gespräch sollten der geplante Export von Spürpanzern und U-Booten sowie „die im europäischen Maßstab unvergleichbar restriktiven Ausfuhrkontrollen bei sensiblen Produkten“ erörtert werden.

Kaum war die Vorabmeldung des Stern auf dem Markt, dementierte Merz. Der Bericht sei „schlicht falsch“: „Ich habe weder zu diesem Zeitpunkt noch früher oder später Termine für Vertreter der deutschen Industrie mit Bundeskanzler Helmut Kohl vermittelt.“ Dass Merz und Hunzinger sich duzen, dass Hunzinger von Merzens Ehefrau schon mal privat bekocht worden ist, dass er Hunzinger mal erlaubt hat, seinen Namen an der Tür einer Brüsseler Rechtsanwaltskanzlei anzubringen, für die Merz arbeitete – das alles dementiert Friedrich Merz nicht.

Nun stellt sich heraus, dass Moritz Hunzinger für die Rüstungsindustrie nicht nur PR gemacht hat. Er war auch an hervorgehobener Position für ein Waffenunternehmen tätig. 1992 war Moritz Hunzinger Aufsichtsratsvorsitzender der SMA Spezialmaschinenbau Holding AG mit Sitz in München und Frankfurt am Main. Diese ging in ganz Deutschland auf Einkaufstour und erwarb mittelständische Spezialmaschinenbauer, also Firmen, die ganz auf Kundenwünsche zugeschnittene Apparate herstellen. Auch für die Waffenproduktion? Bereits 1987, in ihrem Gründungsjahr, besaß die SMA 60 Prozent an dem Dachauer Waffenfabrikanten Erma, im August 1992 wurde sie Alleingesellschafter. Moritz Hunzinger wurde auch hier Aufsichtsratschef. Mit ihm saß Peter Beer im Erma-Aufsichtsrat, damals Vorstandsvorsitzender der Blohm + Voss AG – einer der beiden Rüstungsmanager, für die Friedrich Merz laut Stern den Termin bei Helmut Kohl arrangiert haben soll. Hunzinger war nicht nur Beers Vermittler – er war sein Kollege. Später, 1993, stieß noch einer zum Erma-Aufsichtsrat, der sich mit Waffen bestens auskennt: der Gründer der GSG 9 und Held von Mogadischu, Ulrich K. Wegener.

Sechzehn Werkzeugbauer aus den neuen Bundesländern hatte die SMA im November 1992 schon beisammen, fünf weitere Fabriken standen noch auf der Einkaufsliste. Doch die Geschäfte liefen auf Dauer offenbar nicht gut. Oder man wollte sich aus anderen Gründen von der AG trennen. Ende Januar 2001 jedenfalls wurde die SMA Spezialmaschinenbau AG aus dem Handelsregister gelöscht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen