Bewährungsstrafe für Rezeptbetrug

HIV-positive Frau erschlich drei Jahre lang Medikamente im Wert von rund 160.000 Euro. Unter falschem Namen und ausgestattet mit geklauten Chipkarten ließ sie sich die Mittel verschreiben. Ihr Lebensgefährte zwang sie dazu

Im ersten Berliner Prozess wegen groß angelegter Rezeptschwindeleien durch Apotheken und Patienten ist gestern eine 33-jährige Frau zu zwei Jahren Haft mit Bewährung wegen Betruges verurteilt worden. Vor dem Amtsgericht Tiergarten hatte die HIV-infizierte Frau gestanden, unter falschen Namen drei Jahre lang Medikamente im Wert von insgesamt rund 160.000 Euro erschlichen zu haben.

Die allein stehende Mutter von drei kleinen Kindern – darunter einem siebenjährigen HIV-positiven Jungen – zeigte Reue. „Es war eine Schande, es tut mir sehr Leid“, sagte die aus Uganda stammende Frau. Eigenen Angaben nach ist sie von ihrem Lebensgefährten, einem Landsmann, erpresst worden. Er habe gedroht, ihre Eltern an das Militär zu verraten. Das hätte für diese Lebensgefahr bedeutet. Nach dem Mann wird nach Angaben der Staatsanwaltschaft gefahndet.

Die Angeklagte beteuerte vor Gericht, sie habe keinerlei Vorteile gehabt. Ihr Freund habe die Rezepte eingelöst, Medikamente nach Uganda geschickt oder hier verkauft. Die Staatsanwältin schloss nicht aus, dass der Gesuchte in der Apotheke auch Geld statt Medikamenten erhielt. Es werde noch ermittelt.

Vor dem Hintergrund der Ermittlungen gegen mehrere Apotheken und Patienten sagte die Richterin, wenn diese Betrügereien nicht gestoppt würden, breche die gesamte Krankenversorgung zusammen. Die Angeklagte, die nur die Spitze des Eisberges sei, habe das gesamte Sozialsystem geschädigt. Deshalb muss sie 400 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten.

Die 33-Jährige bekam ihrer Aussage nach vom Freund gestohlene Chipkarten anderer Patienten. Wegen ihrer Erkrankung habe sie die Rezepte anstandslos erhalten. Der Landsmann habe sogar ihre eigenen Medikamente genommen. Das Gericht berücksichtigte die Notlage der Frau. Sie sei nicht nicht nur Täterin, sondern auch Opfer, hieß es in der Urteilsbegründung.

Nach Ergebnissen der Sonderermittlungskommission „Medicus“ beim Landeskriminalamt sollen mindestens sechs Apotheken in die aktuellen Fälle verwickelt sein. Neben Betrug mit HIV-Medikamenten sollen drei Apotheken in Neukölln und Wedding „einen richtigen Kolonialwarenhandel“ betrieben haben, wie es der Chef der 16-köpfigen Soko, Jörg Engelhardt, nannte. Patienten reichten Rezepte ein und bekamen dafür statt Arzneimitteln teure Parfüms, Möbel oder Kinderwagen. Die Apotheker ließen sich die Rezepte dann von den Krankenkassen erstatten. Der Schaden für diese: insgesamt mehrere hunderttausend Euro. Hinweise auf die Betrugsfälle kamen von den Krankenkassen, die wiederum von Ärzten, Patienten und auch anonym informiert wurden. DPA/TAZ