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Schill rüffelt noch rechteren Populisten

Streit in der Schill-Partei über Internierungslager für Zuwanderer. Parteichef Ronald Schill inszeniert Handschlag

HAMBURG taz ■ Die „Wortwahl ist nicht hinnehmbar“, erklärkte der Hamburger Innensenator Ronald Schill gestern Nachmittag auf einer Pressekonferenz in Hamburg: „Internieren ist ein Unwort, das nicht hätte fallen dürfen.“ Damit sei „das Missverständnis“ ausgeräumt und man könne „wieder zur Sacharbeit“ zurückkehren. Und die heißt unter anderem: Die Schill-Partei fordert obligatorische „Gesundheits-Checks“ für Zuwanderer, „notfalls auch mit Zwang“.

Der Rechtspopulist von der Elbe hatte dennoch einen heftigen Streit in seiner Partei beizulegen, denn der Bürgerschaftsabgeordnete und Kandidat für den Bundestag, Wolfgang Barth-Völkel, hatte „Internierungslager für kranke Zuwanderer gefordert“, um Infizierungen Deutscher mit HIV oder Hepatitis zu verhindern. Jedes „ukrainische Au-Pair-Mädchen“ könne sonst die Seuche einschleppen, behauptete der gesundheitspolitische Sprecher der Schill-Fraktion in einem Interview im Hamburger taz-Lokalteil. Deshalb müsse man „diese Menschen erst mal in Quarantäne stellen“.

Diese Forderungen seien mit Parteichef Ronald Schill „abgestimmt“, hatte Barth-Völkel behauptet. Sie würden in Kürze „in unser Wahlprogramm“ aufgenommen werden. Nach heftiger öffentlicher Kritik hatte sich auch in der Schill-Partei ein Streit entzündet. Er „erwäge eine Klage wegen Volksverhetzung“ gegen seinen Fraktionskollegen, erklärte der Abgeordnete Frank-Michael Bauer vorgestern. Barth-Völkels Äußerungen seien „eindeutig von braunem Gedankengut geprägt“, auch habe er „phasenweise Nazi-Vokabular“ benutzt: „Da fehlt nur noch ein Satz wie ‚Kauft nicht bei Juden.‘ “

Auch die Abgeordnete Karina Weber sah „das Ansehen“ ihrer Partei und der Hamburger Rechtsregierung aus CDU, FDP und Schill „beschädigt“. Auf die „Abgrenzung vom rechten Rand“ habe man „immer Wert gelegt“: „Und jetzt haut der alles zusammen.“ Bauer und Weber forderten den Rücktritt des Parteikollegen. Er sei „nicht mehr tragbar“. Barth-Völkel, der als Berufsbezeichnung „Redakteur“ einer Flohmarkt-Zeitung angibt, machte bisher vor allem als ehemaliger Türsteher im Rotlichtmilieu von sich reden.

Marc März, Sprecher des urlaubenden Parteichefs Ronald Schill, hatte zunächst abwiegeln wollen, die Partei sei „nun mal für deutliche Worte gewählt worden“. Dann aber forderte auch Fraktionschef Norbert Frühauf Barth-Völkel auf, „seine Aussagen richtig zu stellen“. Es sei aber in erster Linie eine Sache der Partei, so Frühaufs Aufforderung an Schill, persönlich ein Machtwort zusprechen. Woraufhin der gestern braun gebrannt nach Hamburg eilte, um festzustellen, dass „alle Missverständnisse ausgeräumt“ seien. Der ebenfalls anwesende Barth-Völkel „entschuldigte“ sich für seine Wortwahl und schüttelte anschließend seinem Gegenspieler Bauer vor laufenden Kameras ausgiebig die Hand. Der hatte „die Sache damit für erledigt erklärt“. Schill freute sich über diesen „Handschlag unter Männern“. Er werde „keine Möllemannisierung meiner Partei“ dulden: „Bei uns wird alles binnen 24 Stunden geklärt.“

SVEN-MICHAEL VEIT

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