: Der Kontrolle entzogen
Neues Behördenpapier: Nicht mehr die Sozialbehörde, sondern das Amt von Ronald Schill soll ab nächstem Jahr für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig sein
In der künftigen zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge wird die Innenbehörde nicht nur das Hausrecht haben (taz berichtete Anfang Juli). Die Ausländerabteilung des Amtes wird auch selbst dort mit einziehen und damit noch stärkere Kontrolle über die Zuwanderer ausüben. Das geht aus dem „Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppe zur Neuordnung der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung“ von Innen- und Sozialbehörde hervor, der Anfang des kommenden Jahres umgesetzt werden soll. Dann soll ein zentrales Lager für rund 780 Zuwanderer „mit ungeklärter Bleiberechtsperspektive“ entstehen. Wo, ist noch offen.
Dem Bericht zufolge wird die Unterbringung von Zuwanderern in Hamburg vollkommen neu definiert. Bislang war die Sozialbehörde dafür zuständig. Jetzt wird die Innenbehörde das Aufnahmelager nach „ordnungspolitischen Zielen“ betreiben. Schon Anfang Juli hatte Innenstaatssekretär Walter Wellinghausen (SPD) den Vorteil gepriesen: „Wenn wir erst Herr im Hause sind, wird sich der Zugriff für uns leichter gestalten.“ Der ständige Zugriff auf die Flüchtlinge ist dann auch die Zielvorgabe, die den Bericht von Sozial- und Innenbehörde prägt.
Die Innenbehörde wird alle Zuständigkeiten übernehmen, die bislang auf mehrere Stellen verteilt waren. So soll sie nicht nur die ausländerrechtlichen Aufgaben übernehmen, sondern zudem die „Gewährung von Leistungen“ sowie „Beratungstätigkeit“. Das heißt, dass die Sozialhilfe nicht mehr vom Sozialamt, sondern der Ausländerbehörde ausgezahlt oder in Form von Sachleistungen ausgegeben wird. Und mit „Beratungstätigkeit“, ergibt sich an anderer Stelle, ist vor allem „Rückkehrberatung“ gemeint.
„Alle Verfahrensabläufe“, fassen der Hamburger Arbeitskreis Asyl und „Fluchtpunkt“ zusammen, „werden so konzentriert, dass bereits bei der Einreise und Unterbringung der Flüchtlinge zielgerichtet die Abschiebung betrieben werden kann.“ Die Menschen, die in dem Lager untergebracht werden, würden „fast aller Persönlichkeitsrechte beraubt“. Und die Ausländerbehörde, so die Kritik der Flüchtlingsorganisationen weiter, „entzieht sich durch den Einzug in das Lager, in dem sie das Hausrecht ausübt, fast vollständig der öffentlichen Kontrolle“.
ELKE SPANNER
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